28.
Stereo-Röntgen in der Modifikation nach WGH Schmitt.
Offenbar handelt es sich um eine Traube; Röntgen oder Licht?
Hätten wir das Bild nicht selbst gemacht, hätten wir Schwierigkeiten, den Entstehungsmechanismus zu erklären.
Mit Nachdenken bekommt man Folgendes heraus:
Dass die Beeren der Traube auf der einen Seite Gelb auf der anderen Seite Blau gefärbt sind, ist für ein Röntgenbild – so raffiniert es auch eingefärbt sein mag - atypisch,
das spricht für "Licht und Schatten".
Andererseits sind diese Schatten gleichgroßer Beeren unterschiedlich dick.
Auch gibt es einen weiteren paradoxen Befund: Einige wenige Beeren haben auf der linken Seite keinen blauen, sondern den gelben Schatten.
Wozu könnte das passen?
Zu einem Bild, was mit zwei Augen gesehen wird.
Das hat mit "Stereo" zu tun!
Das Objekt wurde unter zwei unterschiedlichen Blickwinkeln gesehen (abgebildet), und die beiden Bilder wurden in eines komprimiert. -
Eine der einfachsten Methoden, zwei Bilder zusammenzufassen, ist die Subtraktion. Was in unserem Gehirn passiert, muss man sich ähnlich vorstellen. Aus dem Unterschied der beiden Bilder entseht eine Information über die dritte Dimension. In unserem Fall die Information, welche Beeren vom Betrachter weiter und welche weniger weit entfernt sind.
Das Ausgangsbild, das schwarz-weiße Subtraktionsbild, ist jetzt bunt eingefärbt,
nach dem Regenbogen: Blau-Grün- Gelb- Rot.
Ästhetik? Jedenfalls eine intellektuelle Herausforderung. Diese hat (nach D. Hume) ihre eigene Ästhetik.
Didaktisch? Anspruchsvoll und nicht ohne Wert; (das Prinzip wird in den nächsten Beispielen noch vertieft).
29.
Eine Hohlkugel aus Blech. Röntgenbild.
Sowohl in die obere als auch in die untere Hälfte der Blech-Kugel sind Löcher in Form von Apfelsymbolen gestanzt. Sie erkennen Apfelsymbole mit einer blauen Kontur auf der rechten, auf der linken Seite dagegen einer gelben. Merkwürdigerweise finden Sie auch solche "Äpfel", die auf ihrer rechten Seite eine gelbe und links die blaue Kontur haben.
Konturen kann man leicht erzeugen durch Subtraktion.
Z.B.: Verschiebt man ein Bild geringfügig und subtrahiert,
gibt es auf der einen Seite dunkle, auf der anderen Seite helle Hervorhebungen der Ränder. So haben wir es bei 28 gezeigt und werden es auch bei 30 zeigen.
In diesem Fall ist die Technik raffinierter; es ist nicht eine gewöhnliche Verschiebung. Wir sehen das Objekt mit zwei Augen, d.h. der Winkel ist geändert, und der Schnittpunkt beider Zentralstrahlen schneidet sich mitten im Objekt. Das heißt, das eine Auge verschiebt den oberen Teil des Objektes nach der einen, den unteren Teil nach der anderen Seite (relativ zum andren Auge).
Das ist keine Spitzfindigkeit, sondern eine schlüssige Simulation des menschlichen "räumlichen Sehens". Dazu ist es ein hervorragendes Messverfahren.
An anderer Stelle demonstrieren wir, wie man sich bereits vor 100 Jahren Gedanken gemacht hat, auf diese Weise im Körper versteckte Fremdkörper exakt zu lokalisieren.
30.
Intra- und extrahepatische Gallenwege.
Dieses Stereo-Verfahren ist nicht reserviert für die Präparate-Radiographie; es lässt sich gut beim Menschen anwenden:
Die Darstellung erfolgte mit Kontrastmittel über eine liegende Drainage.
Es ist nicht ein Bild, sondern es sind zwei Bilder.
Diese beiden Bilder sind voneinander subtrahiert.
Wären sie identisch, gäbe es eine "Nullinformation".
Da beide Bilder um einen geringen Winkelgrad verändert sind, haben einige Gallenwege (#) eine helle Kontur auf der rechten Seite und eine dunkle Kontur links.
Es gibt aber einzelne Gallenwege(*) mit einer dunklen Kontur rechts und einer hellen links.
Die letzteren sind weit ventral, die ersteren mehr dorsal.
Dorsal sind auch die extrahepatischen Gallenwege, der große Gallengang vor seiner Einmündung.
Der Gallengang (Ductus choledochus) gibt nämlich seine Flüssigkeit in den Zwölffingerdarm (Duodenum) ab: Da entsteht ein großer mehrfarbiger Fleck.
Was spiegelt das Bild psychologisch wieder?
Unsere Sehnsucht nach der dritten Dimension.
Normalerweise ist das Röntgenbild eine große "Summation" von vorne nach hinten, alles über- und untereinander.
Wir wollen das Röntgenbild aber räumlich verstehen, auch wenn es schwierig ist. Schwer auch deshalb, weil wir aus psychologischen Gründen Helles immer nach vorne, Dunkles nach hinten projizieren.
Es gibt Leute, die in der Beckenübersicht niemals verstehen, wie das Schambein, das Sitzbein und die Pfeiler des Hüftgelenkes räumlich verlaufen. Man kann das Übersichtsbild nur verstehen lernen, wenn man den Knochen in der Hand hält. Von den Regeln der alltäglichen Licht-Optik muss man sich befreien.