Kapitel 3

Öfter in der Gebrausanweisung nachlesen: Geeignete Suchwörter sind im Text "rot"

In diesem Kapitel geht es um die Frage "Woher kommt in einem Bild das Licht?"

Was sind die Besonderheiten des Fotos mit "Gegenlicht".

Die Frage nach der Position der Lichtquelle(n) wird von uns Hobbyfotografen gerne unterschätzt.

Fotos von Ojekten z.B. Kunstwerken sind charakterisiert durch 2 Arten von Positionierung. Die Position des Objektes zur Kamera und  die Stellung der Beleuchtung.

Was Portraits von Menschen betrifft, schauen diese uns selten geradeaus an, wie ein Passfoto, Gesichter werden von Künstlern auch seltener im Profil gezeigt. Bevorzugt wird das Halbprofil: die leichte Kopfdrehungen zu einer der Seiten.

Wie der Künstler das Licht anordnet, ist keine einfache Frage. Ich schlage Ihnen vor, verehrte Leser, beim nächsten Museumsbesuch darauf zu achten. Analysieren Sie bei jedem Bild: Woher kommt das Licht?

Bei fotografischen Portraits werden natürlich oft mehrfache Lichtquellen angewendet. Auch diese kann man mit einiger Übung analysieren.

Einfache Objekte werden in diesem Beitrag bevorzugt.

Abb.: 20 Die Frage bei allen folgenden Bildern: Woher kommt das Licht? Von der Betrachterseite etwas links. Daher die Schatten auf den Stämmen und Ästen rechts. Insgesamt ein guter räumlicher Eindruck.

Abb.: 21 Winterhausen. Lichteinfall von links, weitgehend tangential zur Wand. Durch intensive Schatten entsteht eine schöne räumliche Struktur.

Bild 20 zeigt einen Baumstamm mit seinen Ästen. Die Quelle des Lichtes ist eindeutig auf der Betrachterseite, genauer gesagt etwas nach links versetzt. So leuchten die Äste des Stammes am linken Rand hell auf, während sich an den rechten Rändern breite Schatten ausbilden. Dieser Seitenunterschied führt zu einem intensiven räumlichen Eindruck. Eine solche Position einer Lichtquelle ist interessanter als eine solche genau auf der Position des Betrachters. (Auch Bilder mit Blitzlicht gewinnen, wenn das Blitzgerät etwas seitlich von der Kamera gehalten wird.)

Die Botschaft dieses einfachen Objektes in Bild 20 lautet: Schatten sind die Quelle eines kontrastreichen und damit räumlichen Bildeindrucks! Ein Bild ist immer "platt" = nur zwei-dimensional. Wird künstlich ein dreidimensionaler Eindruck hergestellt, empfinden wir das als "schön".

Fazit: "Schatten suchen" und/oder "Schatten erzeugen"!

Dies gelingt durch die geeignete Wahl der Kameraposition bzw. die geeignete Positionierung einer Lichtquelle.

Selbst in einem einfachen Fachwerk, wie in Bild 21, lässt sich ein lebhaftes Spiel von Licht und Schatten erzeugen. Die Sonne strahlt fast tangential zur Hauswand, von oben und von der Seite. Dass der rechte Bildteil im Schatten liegt, lenkt die Aufmerksamkeit in die Mitte und ist für den Bildeindruck nicht von Nachteil.

Abb.: 22 Steinpflaster ; wo steht das Licht? Schatten der Betrachter-entfernten Kante, helle Kanten Betrachter-nahe. Also "mit dem Licht".

Abb.: 23 Steinpflaster; wo steht das Licht? Die Betrachter-nahen Kanten sind besonders schwarz, die Steine spiegeln, die Zwischenräume treten gegenüber den Steinen in der Helligkeit stark zurück. Also; Gegenlicht!

Am Beispiel von Steinpflaster (Bilder 22 und 23) ist "Licht im Rücken" und Gegenlicht demonstriert.

Will man dieses Rätsel lösen, fragt man am: Wo haben diese Pflastersteine in beiden Bildern jeweils den deutlichsten Schatten? An der dem Betrachter zugewandten Kante oder an der abgewandten Kante?

Umgekehrt: In welchem der beiden Fälle werden die Zwischenräume zwischen den Pflastersteinen besser ausgeleuchtet? Im Falle des mit der Kamera einfallenden Lichtes. Hier schaut man gleichsam in die Zwischenräume der Steine hinein.

In welchem Fall leuchten die Pflastersteine heller auf? Bei Gegenlicht leuchten sie – gleichsam spiegelnd – auf.

Bei welchem Bild braucht man weniger Belichtungszeit (kleinere Blendenöffnung)? Eindeutig im Gegenlichtbild. Sonnenlicht wird von den Steinen direkt in die Kamera gespiegelt und nicht nur diffus gestreut von der Kamera aufgenommen.

Abb.: 24 Capo finisterre. Unterschiedliche Belichtung. Zuerst automatisch gemessen auf den hellen Brandungsschaum: 1/125 Sekunde. Blende 5,6. Das macht dunkle Steine, helles, aber nicht zu helles Wasser, somit einen guten räumlichen Kontrast.

Abb.: 25 Belichtung auf die Steine gemessen. Höhere Dosis: Helle Bildareale zu hell und damit Verlust an Struktur.

Wir sind mitten im Thema "Gegenlicht".

Der Klassiker ist der "Sonnenuntergang bei Capri" und die als Silhouette dargestellten Fischer, die ihre Netze (und hoffentlich nur die Netze) im Meer versenken.

Die Automatik reagiert bei einem solchen Motiv: Hier ist so viel Sonne, hier muss die "Öffnung des Verschlusses" zeitig abgeschaltet und für eine niedrige Dosis gesorgt werden.

Das genügt für eine maßvolle Wiedergabe des abendroten Himmels.  Bei den Fischern und ihren Booten reicht es nur für eine dunkle, silhouettenartige Darstellung.

Kurz gesagt: Gegenlichtaufnahmen sind häufig unterbelichtet (, zu schwarz; jedenfalls im Vordergrund). Das mag erwünscht sein, weil es interessante Effekte ergibt. Meistens wird man zu einer größeren Lichtmenge ausweichen wollen. Aber man muss auch wissen, auf welchen sehr verschiedenen Wegen man von der automatischen Belichtung abweicht.

(Messfelder verlegen z.B. durch Schwenken der Kamara und Festhalten mit leichten Auslöserdruck, oder aber durch rein manuelle Einstellung der Parameter)

Am Beispiel eines Felsenstrandes (Bild 24 und 25) ist die Dosis mit Hilfe dieser Belichtungsmessung variiert. Sozusagen "halbautomatisch". Es wäre auch möglich gewesen rein "manuell" die Dosis zu variieren (über die Blende oder die Belichtungszeit oder deren Kombination).

Bild 24: Messung im hellen Bildareal innerhalb der schäumenden Brandung, entsprechend sind die Steine dunkel und schwer. Die Belichtung ist hier vermindert, aber noch nicht so stark reduziert, dass diese Steine ihren räumlichen Charakter verlieren und nur als Schattenbilder erscheinen.

Im Bild 25 ist die Belichtung auf die dunklen Steine angepasst, diese werden jetzt "grau in grau", ihr Raumcharakter geht zurück. Dafür ist das schäumende Wasser durch intensive Helligkeit seiner Binnenstruktur beraubt.

Eine ganz neue Frage ist nun: Welches Bild bevorzugen wir?

Leute! Sagt mir mal, wie findet Ihr meinen Beitrag? Es ist nichts Neues. Aber ich glaube, es ist knapp und richtig zusammengefasst.

Ich bevorzuge übrigens das erste, das "unterbelichtete" Bild.

Abb.: 26 Bemooster Baumstamm im Gegenlicht. An beiden Rändern leutet ein heller Streifen auf. Die Dosis ist groß genug, dass der Stamm Struktur zeigt und nicht nur als schwarze Silhouette dargestellt ist.

Abb.: 27 Okertalsperre. Im Gegenlicht Baum und Büsche hell aufleuchtend. Bild lebt vom Kontrast zum dunkeln Hintergrund.

Der bemooste Baumstamm in Bild 26 ist – im Gegensatz zu Bild 20 – im Gegenlicht aufgenommen. Gegenlicht-typisch sind helle Säume zu beiden Seiten der Konturen. Das Objekt verdeckt die Lichtquelle (Sonne), so dass die Belichtung auch bei automatischer Messung nicht zu stark unterdrückt wird. Es resultiert keine schwarze Silhouette, sondern die bemooste Oberflächenstruktur des Stammes mit ihren schmalen hellen Rändern.

Erfreulich ist außerdem, dass der Hintergrund im Schatten liegt und strukturelle Unschärfe aufweist.

Abb.: 28 Gegenlichtaufnahme. Dekorative hauchfeine Blütenfasern leuchten auf. 1/800 Sekunde. Blende 4. Ein solches Bild darf trotzdem nicht zu stark belichtet werden, so dass der Hintergrund dunkel bleibt.

Abb.: 29 Hinterrhein, oberhalb der Via mala. Gegenlichtaufnahme. Typisches Streulicht und "Flecken" durch Reflektionen der Linsen. Trotz dieser Artefakte verhilft der Kontrastreichtum zu einem räumlichen Eindruck.

Bild 28: Feinere Strukturen leuchten im Gegenlicht hell auf, was besonders an feinen lockeren Strukturen, wie z.B an Blüten/Gräsern, ausgenutzt werden kann.

Für Gegenlichtaufnahmen muss die Sonne nicht immer gleich am Horizont versinken. Auch eine tief stehende Sonne liefert interessante Bilder, oft mit ausgedehnten strukturarmen Schatten (in denen natürlich Information verloren geht) kombiniert mit hell aufleuchtenden Motiven.

Bild 29 zeigt einige Gegenlicht-typische Kunstprodukte: sechseckige Flächen (Linsenreflexionen = lens flare, siehe de.wikipedia.org/wiki/Lens_Flare), dazu weitere längliche, von der Sonne ausgehende Streifen. Die Artefakte können durch einen Tubus **, eine Gegenlichtblende oder Streulichtblende, vermindert werden. Streulicht auf die Linse kann auch mit der Hand (und zusätzlich mit einem flachen Gegenstand) abgehalten werden. Diese Hand fehlt dann zur Fixierung der Kamera. Man muss also lernen, mit Daumen und Zeigefinger das Objektiv zu fixieren und mit der Handfläche und den übrigen Fingern Streulicht abzudecken.

Diese Artefakte in Bild 29 sind keineswegs immer störend, sie können eine künstlerische Auflockerung des Bildes bedeuten.

Abb.: 30 Blick vom Balkon in den Bergen.
Typische Gegenlichteffekte mit hohen
Kontrasten. Der Hintergrund
wird durch Unschärfe und
Dunkelheit abgedämpfte und
verstärkt die Räumlichkeit.

Eine gewisse Faszination geht von Gegenlichtfotos (Bild 30) aus. Es entsteht die Illusion von "Räumlichkeit", es ist der alte Traum, vom platten zweidimensionalen Bild in die dritte räumliche Dimension zu schreiten.

Zugegeben: Gerade beim Gegenlicht sind Daten im ganz hellen oder ganz dunklen Bereich nivelliert. Sie sind elektronisch mit Null gleichgesetzt oder auch durch geringe Speicherkapazität nivelliert. "JPG" als Standardformat der meisten digitalen Kameras bietet ein sehr platzsparendes Dokumentieren und damit auch ein rasches Abspielen und Betrachten unserer Fotos ohne Zeitverlust.

Auch in diesem Beitrag finden sich ausschließlich jpg-Bilder. Nachteile, die in Kauf genommen werden, sind die o. g. Verluste im Bereich der Belichtungsextreme. Hier macht JPG Einsparungen, die für die weitere Bildbearbeitung verloren sind. Nicht so, wenn man Rohdaten speichert ("RAW" = roh). Hier sind unbearbeitete Daten auf der Speicherkarte mit großem Speicheraufwand festgehalten, die digitale Nachbearbeitung braucht zwar Zeit und Mühe, aber es lohnt sich.

Regelmäßig in der Gebrausanweisung nachlesen: Geeignete Suchwörter sind im Text "rot"

Und nun viel Spaß mit dem neuen Fotowissen beim Fotografieren Ihrer besonderen Bilder.

Fußnoten:

* Sehr wichtig ist der Modus "P" beim Abfotografieren von analogen Röntgenbildern. Diese sind von Natur aus in weiten Arealen schwarz. Die Automatik verschätzt sich bei der Belichtung, indem diese zu hoch gewählt wird. Also entsteht ein zu helles Foto. Einige Pluskorrekturen nützen der Belichtung! Kürzere Belichtungen reduzieren im Nebeneffekt die Möglichkeit der Verwackelung. Ich "schieße" sämtliche Fotos von alten Röntgenbildern und sämtliche Fotos von Kunst aus der Hand, ohne Stativ.

 

** Auch im Röntgen werden solche Streulichtblenden, Tubus oder "Tubusse" verwendet, allerdings aus ganz anderen Gründen. Hier sollen sie röhrennah entstehende Streustrahlung abfangen, die die Bildqualität verschlechtern würden.

*** Portraits oder Gruppenbilder im Gegenlicht sind ganz und gar problematisch, da sie in aller Regel stark unterbelichtet sind. (Deshalb besser Licht von der Seite oder "mit dem Licht"). Das Bild wird bei Gegenlicht auf eine Silhouette reduziert. Hier hilft  Belichtungsmessung in den bildwichtigen Arealen, in diesen Bereichen wird dann optimale Helligkeit erreicht. Die Gefahr ist allerdings, dass andere Bildabschnitte sehr hell sind. Außerdem ist ein sogenannter Aufhellblitz hilfreich. Er hebt den Vordergrund durch eine zusätzliche Lichtdosis heraus.

**** Neben der Bedeutung von Blende und Belichtungszeit für die Lichtmenge spielt die eingestellte Empfindlichkeit des Apparates eine entscheidende Rolle. Sie wird vergleichbar durch den ISO-Wert, d. h. einen Wert für die Umsetzung der Lichtstärke in die Sprache des Speichers.

***** Wenn das Licht nicht "langt" oder wenn man bewusst lange belichten möchte muß man sich Gedanken machen zum Bildstabilisator, zum Selbstauslöser und zum Stativ. Eine Mauer, ein Baum oder ein Nordic-Walking-Stock kann eine fehlendes Stativ weitgehend ersetzen.