Psychodynamisches Modell des Überlastungsschadens in Stichworten

Schwerpunkt Sporttrauma in der zweiten Lebenshälfte

Überlastungsschäden entstehen durch ein Mißverhältnis von Belastung und Belastbarkeit. Die Belastung hat ihre eigene Psychodynamik. Die wirksamen Faktoren lassen sich in endogene und exogene Faktoren unterteilen.

1. Endogen wirksame Faktoren

1.1. Persönlichkeitsmerkmale.

a. Bei Verdacht auf Überlastungsschäden muß man nach Hinweisen auf narzistisch gestörte Persönlichkeitsanteile suchen. Kennzeichnend hierfür sind: Ein gesteigertes Gefühl der Großartigkeit in Phantasie und Verhalten: Ein übertriebenes Gefühl einzigartig ("etwas Besonderes") zu sein; eingenommen sein von Machtphantasien und/oder Schönheitsphantasien; ein erhöhtes Bedürfnis nach Bewunderung.

b. Defizit in der Selbstwahrnehmung: Durch ein mangelndes Körpergefühl wird der Körper erst in Grenzsituationen oder beim Überschreiten dieser Grenzen gespürt. Dies führt dazu, daß die Empfindungen in der Grenzsituation z.B. der Schmerz nicht zur Vorsicht und Zurückhaltung sensibilisiert, sondern eher ein Übertreiben der eigenen Leistung fördert.

c. Mangelnde Fähigkeit, mit Konflikten konstruktiv umzugehen. Jene werden über körperliches Abreagieren z.T. auch autoaggressiv abzuführen versucht.

1.2. Bewältigen des Alterns. Übermäßige Angst vor dem Älterwerden, vor körperlicher Schwäche, Erkrankung und letztlich auch Todesangst. Die Abwehrmechanismen dieser Angst sind: -

a) -Verdrängung ("Ich bin jung/junggeblieben! Zehn km Joggen am Tag macht mir doch nichts aus!")

b) - Verleugnung ("Älterwerden, das gilt doch nicht für mich! Was die alle mit dem Älterwerden haben? Zwei Stunden Tennis am Tag, das brauche ich!)

c) - Projektion

("Schau dir den Schwächling dort an! Ich bin gut, weil die um mich herum alle so schwächlich und wehleidig sind. Wenn ich mich mit denen vergleiche, merke ich erst wie leistungsfähig ich bin! Jeder der mich sieht, dem müssen die anderen ja leid tun!")

2. Exogen wirksame Faktoren

2.1. Im kulturell geprägtes Menschenbild unserer Gesellschaft besitzt Jugendlichkeit, körperliche Fitness, äußerliche Schönheit einen hohen Wert. Dies wird insbesondere durch die Werbung vermittelt und vorgegeben. Um anerkannt zu bleiben und sich gegenüber den "Alten" abzugrenzen, versuchen die Älterwerdenden, diesem Bild der körperlichen Tüchtigkeit zu entsprechen. Körperlicher und geistiger Leistungsverlust werden nicht als ein natürlicher Prozess akzeptiert; sie werden ausgegrenzt und allenfalls als krankhafte Ausnahme- Erscheinung geduldet. Es entwickeln sich oft Konkurrenzsituationen, in denen sich Ältere mit Jüngeren messen wollen ("... jetzt zeig' ich dir mal, was ich noch drauf habe"). Dies führt zur Überforderung. Dabei geben die neuen Sportarten, die in den letzten zwei Jahrzehnten entstanden sind, genügend Möglichkeiten, Leistungen zu messen und die eigene Leistungsfähigkeit zu demonstrieren. Darunter finden sich Extremsportarten, die für den nötigen "Kick" sorgen. Wahrscheinlich wird dabei auch versucht, in Extremsituationen oder unter extremer körperlicher Anstrengung immer wieder die Wirkung der Endorphin-Ausschüttung zu verspüren. Übergänge zum süchtigen Verhalten sind dabei fließend.

Therapeutische Möglichkeiten.

Die Therapierbarkeit ist abhängig von der Störungseinsicht und der Introspektionsfähigkeit. Oftmals sind diese nicht ausreichend gegeben. Das Trauma wird häufig als schicksalhaft empfunden. Das Selbstbild läßt keine Einsicht in eigenes Fehlverhalten zu. Das Trauma stößt dem Patienten zu als ein von außen kommendes Unglück. Dem Leidenden ist die Vorstellung fremd, dass er der Verursacher sein könnte. Die Eigenverantwortung für das Trauma fehlt und die Ursachen werden nach außen projiziert.

Bei solcher fehlender Störungseinsicht bleiben immerhin noch verschiedene therapeutische Möglichkeiten: Die suggestive Wirkung der Medizin. ("Solange Sie dieses Knochenmarksödem haben ist eine Trainigspause unumgänglich, um schlimmeren Schaden zu verhüten!" Der "Bone bruice" muss sprechen an Stelle der schwachen Selbstbeobachtung).

Weitere terapeutische Möglichkeiten sind die Anwendung von Interventionen, die auf eine Verhaltensänderung hinzielen: - Ansprechen der narzistisch gestörten Persönlichkeitsanteile mit dem Ziel, das Bedürfnis nach Bewunderung zurückzuschrauben. ("Das haben sie doch nicht nötig, sich so hineinzuhängen.") - Lernen am Modell. Relativierung und Modifizierung des Persönlichkeitsbildes, welches die Werbung vermittelt (Wissen sie, wie ich Sport treibe, ich mache das so und so. Niemand gibt mir was, wenn ich mich kaputt mache. Es ist viel gesünder, wenn ich.......")

Bei ausreichender Therapiemotivation und Störungseinsicht:

Tiefenpsychologischer Ansatz über Aufarbeitung primär familiärer Ursachen wie. z.B. Bewußtwerdung mangelnder elterlicher Anerkennung oder Zuwendung, Hinterfragen der Verknüpfung von Anerkennung und bestimmten Leistungen. Akzeptanz nur für "Bessersein" als andere etc.

Körpertherapeutisch orientierter Therapieansatz über: "sanfte Therapiemethoden" wie z.B. Körperwahrnehmungsschulung, Körperentspannungstechniken (Muskelrelaxation nach Jacobsen, autogenes Training nach Schultz).

Hier endet unser Einführungs- und Weiterbildungsbeitrag. Falls Sie Anregungen dazu haben uns bitte wissen. Email steht ganz am Schluß.

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Ein weiterer Beitrag zu diesem Thema der "ossären Insuffizienz" ist im Netz und zwar ander zweiten Stelle.