6. Fall

Es handelt sich um einen 43-jährigen Mann, der vor fünf Tagen von einem zwei Meter hohen Gerüst gestürzt ist.

Zunächst ist wichtig: Die Röntgenuntersuchung ergab keinen pathologischen Befund. - Der Patient hatte (fünf Tage nach dem Unfall) noch starke Schmerzen beim Laufen, beim Stehen, beim forcierten Strecken im Kniegelenkes und beim Valgus-Stress. Ein kleiner, blutiger Kniegelenkserguss wurde abpunktiert. Aufgrund des Ergebnisses dieser Punktion und der hartnäckigen Beschwerden wurde die MR-Untersuchung veranlaßt.

Wir halten uns nicht mehr mit der Beschreibung des MR-Bildes auf, sondern deuten den Befund gleich pathophysiologisch: Es zeigt sich ein ausgedehntes Knochenmarksödem im lateralen Tibiakopf. Oben sind zwei verschiedene T2*-Schichten abgebildet.Es besteht ein markantes Marködem im dorsalen Tibiakopf. Dieses Ödem wird im unteren (rechten) Bildpaar noch deutlicher demonstriert. Es ist eine Sequenz, die das Fettgewebe stark unterdrückt und gleichzeitig die "pathologische Flüssigkeit" heraushebt: Die STIR (Unteres Bildpaar).

Bei dieser Vorgeschichte sucht man nach direkten Frakturzeichen: Es gelingt kein Nachweis einer Impression der tibialen Gelenkfläche. Das markante Knochenmarksödem im Tibiakopf wird in beiden abgebildeten Sequenzen (und in beiden Schichtebenen) von einer signalarmen Linie durchzogen. Wahrscheinlich sind hier Spongiosabälkchen ineinandergeschoben, und das helle Signal des Markraumes ist dadurch vermindert. Ein Beweis für diese Vermutung könnte ein Röntgenverfahren, wie die Computertomographie (CT) liefern. Auch ohne die CT ist die Diagnose aus der Summe der Sequenzen und der Vorgeschichte eindeutig:

Es handelt sich um eine Infraktion des lateralen Tibiakopfes.

 

Man entschloss sich zur konservativen Behandlung mit partieller aber konsequenter Entlastung.- Die rel. aufwendige und teuere MR- Untersuchung hat insofern einen Sinn, als man erkennt, daß diese verletzte Region gefährdet ist. Hier könnte bei ungebremster Belastung eine Impression auftreten. Dies würde wahrscheinlich zu einem bleibenden Gelenkschaden führen.

Tatsächlich war der Patient nach wenigen Tagen beschwerdefrei. Er hat nach vier Wochen seine Bürotätigkeit wieder aufgenommen.

Die Röntgenkontrolle nach vier Monaten ergab einen Normalbefund, also unauffällige Knochen- und Weichteilstruktur im Tibiakopf und normale Gelenkspaltweite. Heilungsvorgänge im Tibiakopf waren nicht (mehr) zu erkennen.