1. Fall

Liebe Freunde, dieser Erkrankungsfall wird am häufigsten aufgesucht. Es gibt auch noch einen weiteren Beitrag. "Ossäre Insuffizienz II"- weniger MR, mehr Überblick über den gesamten Komplex.

Es handelt sich um eine 41-jährige Frau, die sich entschlossen hatte, etwas für ihre Gesundheit zu tun.

Sie hatte sich teure Turnschuhe gekauft und an jedem zweiten Tag im Laufschritt auf einem sechs km langen, geteerten Weg ihren Heimatort umrundet. Die ersten Male war ihr dies sehr schwer gefallen, aber bald machte sie unter den staunenden Augen ihrer Nachbarn deutliche Fortschritte. Das motivierte sie, sich noch mehr anzustrengen. Sie war stolz auf ihre Leistung.

Diese Erfolgsstory wurde jedoch nach genau zwei Wochen durch eine Mißempfindung in der rechten Ferse getrübt. Die Beschwerden steigerten sich gegen Ende der Laufstrecke zu starken Schmerzen im gesamten Calcaneus. Auch in Ruhe war sie nicht mehr beschwerdefrei. Noch einmal machte die Patientin einen Belastungsversuch, brach diesen - sehr enttäuscht - ab und ließ sich mit dem Auto abholen. Darauf pausierte sie mit dem Lauftraining.

Die Patientin schätzte die Ursache ihrer Beschwerden richtig ein: "Ich habe des Guten zuviel getan - mehr als ich vertragen konnte."

Schon anamnestisch ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich um einen Überlastungsschaden handelt. Es besteht kein akutes Trauma, aber eine ungewöhnliche Dauerbelastung; diese Krankengeschichte gibt keinen Hinweis auf Infektion, Tumor oder Thrombose. Der Ausschluss anderer Ursachen bestärkt uns, ein "Mißverhältnis von Belastung und Belastbarkeit" anzunehmen.

Liebe Freunde, dieser Erkrankungsfall wird am häufigsten aufgesucht. Es gibt auch noch einen weiteren Beitrag. "Ossäre Insuffizienz II"- weniger MR, mehr Überblick über den gesamten Komplex. 

Der Überlastungsschaden am Knochen hat eine verwirrende Fülle von Synonyma: Stressfraktur, Ermüdungsbruch, Marschfraktur. Die vielfältigen Benennungen ein und derselben Sache zeigt, wie schwer sich die Medizin mit dieser Materie tut. Dabei sind diese Ausdrücke alle nicht falsch; sie weisen deutlich auf die Genese des Krankheitsbildes hin. Ich verwende gerne als Oberbegriff: "Ossäre Insuffiziens." Keine Bezeichung der Krankheit sondern nur ein markantes Bild-Symptom ist "Umbauzone." Davon später.

Die Ursache der Erkrankung ist ein Mißverhältnis von Belastung und Belastbarkeit. Das ist ja auch die Ursache des akuten Trauma! Hier bei unserer Patientin wirkte eine besonderer Verletzungsmechanismus: Sich ständig widerholende kleine Traumata. Diese würden alleine keine Verletzung hervorrufen; erst in ihrer Summe können sie eine Schädigung setzen. "Chronisches Trauma" lautet folgerichtig ein weiterer synonymer Begriff.

Welche Regionen des Bewegungsapparates werden von Überlastungsschäden betroffen?

Es ist einleuchtend, dass der Schwachpunkt des Skeletts zuerst betroffen ist. Genauer gesagt: Die Schwachpunkte. Beim Menschen finden sich nämlich mehrere solcher gefährdeter Regionen, sogenannte "Loci minoris resistentiae."

Aber auch innerhalb einer bestimmten Region gibt es große Unterschiede im Befallsmuster:

Je nachdem, ob ein wachsender oder ein ausgewachsener Knochen betroffen ist, ist der Schaden innerhalb dieser Region unterschiedlich angeordnet:

Am wachsenden Knochen sind besonders verletzlich: Die Wachstumsfuge (Apo- oder Epiphyse) und benachbarte Knochenabschnitte.

Dagegen verläuft beim Erwachsenen die Zone der maximalen Verwundbarkeit in den Schäften und Körpern. - Am Calcaneus ist dies das Corpus (manchmal nahe am Tuber, manchmal mehr in der zentralen Region).

Das Röntgenbild zeigte zwei Tage nach dem Trainingsabbruch (noch) keine Veränderungen.

Zwei Wochen später erfolgte einen MR-Untersuchung. Die Beschwerden waren zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich gebessert. Sie waren sogar überraschend gering im Vergleich zu den ausgeprägten MR- Befunden. (Vielleicht wären die MR-Befunde eine Woche vorher noch eindrucksvoller gewesen).

Die Diagnose lautet:

    Stressfraktur des Fersenbeins. Selbstverständlich wären auch eine Reihe anderer Benennungen richtig: "Überlastungsschaden am Knochen", "Ermüdungsbruch" etc.

 

Wir sehen eine sagittale Schichtführung, aufgenommen als sogenannte STIR-Sequenz.

Im STIR-Bild ist das Fett (durch Fettunterdrückung) dunkel, fast die gesamte Pathologie ist hell (Ursache:Wasservermehrung).
STIR-Bilder sind keine ästhetisch schönen Bilder, aber sie sind hervorragend geeignet, um schnell zu sehen , wo sich das Krankheitsgeschehen abspielt und wie ausgeprägt es ist. Kompakter Knochen und Fett-haltiger Markraum sind dunkel, nur das Pathologische, das "vermehrte Wasser" leuchtet bei dieser Sequenz hell heraus. Lassen Sie uns weiter unten allgemein über "Sequenzen" sprechen.

Entgegen der Erwartung ist in diesem oben gezeigten STIR-Bild der Tuber calcanei intensiv hell; dieser Befund steht ganz im Gegensatz zum dunklen Signal im Hals dieses Knochens und im Gegensatz zu allen übrigen (gesunden) Knochenabschnitten. Bei dem hellen Bildsignal muss es sich um eine Art Wasser-Vermehrung (Oedem) handeln. Im Tuber hat ein Ödem das normale Fettmark verdrängt. Auch in den Weichteilen besteht ein (diskretes) Ödem z.B. in der Subcutis über der Achillessehne nahe dem Achillessehnen-Ansatz. Auch dieses Weichteilödem stellt sich als helles MR-Bildsignal dar.

Die großflächige "Helligkeit" im Knochen - also das (fettverdrängende) Ödem - wird unterbrochen durch eine dunkle Linie. Man könnte meinen, es wäre eine Wachstumsfuge; aber die Wachstumsfugen sind in diesem Lebensalter längst verschlossen. Könnte es sein, dass hier das Fett vorliegt? Also regional das fettige Mark nicht verdrängt wurde? Diese Möglichkeit schließt das T1-Bild aus. Davon später. Das Röntgenbildes (hier nicht gezeigt) hilft weiter. Es zeigt eine markante Sklerose-Zone, einen "hellen Streifen" typisch für eine intraossäre Callusbildung. Knochensubstanz eines Heilungsprozesses - teils unverkalkt, teils verkalkt - hat wiederum das Marködem verdrängt. Diese dunkle Linie im STIR-Schichtbild ist in der räumlichen Wirklichkeit eine flächenhafte Struktur. Sie verläuft parallel zur Hinterkante des Calcaneus. (Siehe auch den 8. und letzter Fall dieser Sammlung: Dort besteht tatsächlich eine Wachstumsfuge. Dies sieht ganz ähnlich aus wie die Umbauzone im aktuellen Fall.) Der pathologische Prozess täuscht sozusagen eine Wachstumszone vor.- Der klassische Name für diese regionale Heilung bei chronischem Trauma ist: Umbauzone.

 

 

Hier ist ein T1-gewichtetes Bild dieses Erkrankungsfalles zu sehen.

Im T1-Bild ist das Fett sehr hell, Wasser (und damit fast die gesamte Pathologie) ist dunkel.

Im Gegensatz zur STIR leuchtet also in dieser "T1" das Fett ( im Knochenmark dominiert - wie gesagt - das Fettgewebe ) hell auf. Wie schon betont: Der pathologische Prozess im Calcaneus verdrängt das Fett, dadurch wird der Knochen dunkel. Dieser Prozess und damit die "Verdunklung" ist auf den ganzen Calcaneus ausgedehnt aber nicht gleichmäßig ausgeprägt.

Wichtige Definitionen: Sequenzen sind Geräteeinstellungen, die bestimmte physikalische Gewebeeigenschaften messen. Je nach Wahl der Sequenz werden diese Eigenschaften sehr unterschiedlich in Grauwerte übertragen.

T1 ist eine klassische Spin-Echosequenz (wichtigste Familie der Sequenzen). Gewebe mit hoher T1-Relaxationszeit sind hier dunkel, solche mit niedere Relaxationzeit sind hell. Wo gibt es "hohes T1"? Hohes T1 ist charakterisctisch für fast alle pathologischen Gewebe (Neubildung, Entzündung, Ödem)

Fett hat eine kurze Relaxationszeit T1, folglich wird es bei dieser Sequenz sehr hell im Bild.

T1-Bilder sind aufgrund der hellen Fett-Strukturen kontrastreich und ästhetisch schön.

Die STIR ist eine "Suchsequenz" sie stammt aus der zweitwichtigsten Familie der MR-Sequenzen, aus der Inversion Recovery = IR.

Auch bei STIR ( genauso bei fast allen anderen Sequenzen) ist der kompakte Knochen aufgrund seiner Signalarmut schwarz.

Fett dagegen wird In der STIR ganz anders dargestellt, als in der oben genannten T1-Sequenz. STIR unterdrückt das Bildsignal des Fettes sehr stark; Fett ist dunkel. Abgesehen vom Fett hat STIR T2 Charakteristika. Höheres T2 wird hell dargestellt: "Wasser" bewirkt in der STIR ein sehr helles Bildsignal. "Wasser" bedeutet auch wässriges Gewebe in jeder Form: Ödem (z.B. Entzündung) oder Neubildung. STIR ist also empfindlich für hohe Wasser- Konzentration und/oder für hohen Anteil an einer besonderen Wasserbindung, dem "freiem Wasser." Freies Wasser ist typisch für die Mehrzahl der kranken Gewebe. Diese Sensibilität zusammen mit der Fettunterdrückung bewirkt oft eine Hervorhebung der Pathologie. Es besteht nicht die Gefahr, dass das Fettsignal das Wassersignal eines pathologischen Prozesses überdeckt. Allerdings ist Fettunterdrückung - hier bei der STIR - hinderlich für die anatomische Orientierung.

STIR erweist sich also als eine hervorragende Suchsequenz. Mit anderen Worten: Sie findet sehr sensitiv pathologische Veränderungen, ist aber sehr unspezifisch. Sie kann durch ihre Empfindlichkeit mitunter zu Überschätzungen führen.

Wie können wir die Spezifität verbessern, die verschiedenen Pathologien unterscheiden?

Wie es in Kombination mit anderen Sequenzen gelingt, wird später demonstriert:

    * Zwischen Erguss und Synovia,
    * zwischen Tumor und Nekrose,
    * zwischen Hyperämie und Abszess

wird später besprochen.
    

Merke: STIR ist sehr sensibel: Das Bildsignal bei STIR leuchtet bei fast allen pathologischen Prozessen hell auf. In der T1 sind diese "Pathologien" dunkel. Das Fett - und so auch das gesunde Fettmark - wird bei STIR unterdrückt, ist also dunkel.

Beides ( Fett und Pathologie) werden bei der STIR also umgekehrt dargestellt als bei der T1- Sequenz.

Was spielt sich histologisch in der "Umbauzone" ab?
Das Ödem ist durch ein wasserärmeres, differenzierteres und geordneteres, teilweise auch verkalktes Gewebe ersetzt (Heilung). In der Nachbarschaft davon besteht oft ein sehr helles STIR-Signal als Hinweis auf einen aktiven, die Heilung vorbereitenden Stoffwechselprozess.

Pathogenetisch betrachtet bedeutet das:

Die Folgen eines chronischen Traumas werden durch Regeneration und Reparation ausgeglichen. Parallel zur Reparation finden sich - typisch für das chronische Trauma - Korrelate der Schädigung.

Schädigung bedeutet: Ödem, Blutung und Nekrose.
Reparation bedeutet: Granulationsgewebe und Callus.

Die Beteiligung der Weichteile ist typisch für chronische Frakturen.Knochen und Weichteile sind ja eine Einheit. Es ist nicht verwunderlich, wenn die Weichteile "mitreagieren."

Nun zu weiterem Material zum ersten Fall:

Doppelklick öffnet das Bild in Originalgröße

Die Abbildung zeigt zwei schöne, aber auch schwierig zu interpretierende Bilder:

Beides sind T1-Aufnahmen, haben aber mit einer Besonderheit. Sie sind nach intravenöser Gadolineum-Gabe gewonnen. Zu T1 passt garnicht dieser dunklen Darstellung des Markraumes? Fett ist doch normalerweise im T1 sehr hell. Hier wurde in der T1 ein Kunstgriff angewendet: Durch "Fettsättigung" ist das Fettsignal verdunkelt. Auch fast alle pathologischen Prozesse erscheinen in T1 dunkel (Hoher Wassergehaltes = hohes T1 = dunkles Bildsignal). Also wäre hier bei dieser Sequenz fast alles dunkel. Ausgenommen sind die "Gadolineum aufnehmende Strukturen"; sie erscheinen hell bis sehr hell. Gadolineum verkürzt nämlich die Relaxationszeit T1 der Gewebe. Diese "kurze Relaxationszeit T1" stellt sich im T1-Bild sehr hell dar. Wir haben hier - etwas vereinfacht gesagt - ein Bild der Kontrastmittelverteilung vorliegen.

"T1-KM-fettgesättigt" ähnelt - aber nur bei oberflächlicher Betrachtung - der STIR (Vergleiche die Bilder!).

Die MR-Sequenzen beinhalten viele technische Festlegungen. Einige der technischen Details muß man einfach lernen; man darf nicht erwarten, alles logisch ableiten zu können.

Wir sehen in der STIR als helles Bildsignal das pathologisch vermehrte und veränderte Wasser.

Wir sehen in der "fettgesättigten T1- KM" als helles Signal das Kontrastmittel, d.h. die Verteilung und Auswirkung des KM. Diese ist ein gutes Maß für die Hyperämie und Aktivierung des Stoffwechsels:

Hell bedeutet "Aufregung," Aktivität.

Dunkel steht für: Ruhe, Sparflamme.

Im hier abgebildeten Calcaneus ist der Abbau und Wiederaufbau enorm aufgeputscht. Hier boomt die Zerstörung und gleichzeitige Reparation.

In dem dunklen Streifen nahe dem Tuber ist schon wieder Ruhe und Ordnung - sprich Heilung - eingekehrt.

Die "fettgesättigten T1- KM" (die beiden letzten Bilder) sollen nochmal mit anderen Worten charakterisiert werden:
In T1 wäre eigentlich nur "Fett" sehr hell; bei dieser T1 wird das Fett unterdrückt. Eigentlich sollte das Bild daher völlig signalarm und kontrastarm aussehen. Aber das Kontrastmittel bringt Struktur in das Bild; es bewirkt überall, wo es hingelangt eine Verkürzung der Relaxationszeit T1, das bedeutet sehr helles Bildsignal.

T1-Zeit hinunter = Helligkeit im Bild herauf

Der aufgepeitschte Stoffwechsel überschreitet den Knochen, dringt in die Weichteile vor. Wir denken zu oft in Organsystemen, die unabhängig voneinander funktionieren und unabhängig erkranken. Die Weichteile leiden mit dem Knochen mit.

STIR und "T1 fettgesättigt nach KM" sehen oft ähnlich aus, obwohl die hellen Bildsignale etwas anderes darstellen. Sie sind leicht zu unterscheiden, wenn reine Flüssigkeit vorliegt; diese ist in der STIR hell und in jeder Form von T1-Sequenz dunkel. Dies wird noch im 3. Fall vertieft.

Noch kurz zum Verlauf:

Wie erhofft und erwartet, war die Patientin nach zwei weiteren Wochen völlig beschwerdefrei. Sie hat bald wieder eine sportliche Betätigung - Schwimmen und Radfahren - aufgenommen. Sie ist mehrere Wochen später auch wieder - allerdings mit entsprechender Vorsicht - gejoggt . Sie hat eine "Trainingsmodifikation" - wie die Sportmediziner sagen - durchgeführt; sie war für eine innere Stimme hellhörig geworden, die zur Pause riet; sie hat diese Signale nicht negiert.

Es könnte sein, dass die Patientin damals als sie zur MR-Untersuchung kam, etwas dissimuliert hat. Das Positive war: Sie sah eine aktive Möglichkeit zukünftiger Fehlbelastung entgegenzusteuern. Sie hat Lehrgeld gezahlt, aber sie hat gelernt.

Es bleiben einige Fragen zu den Details dieser Fehlbelastung offen: Z. B. könnten eine fehlerhafte Konstruktion der Schuhe eine Rolle gespielt haben? Überlastungen nach Neuanschaffungen aber auch nach Umstellung der Trainigs-Konzepte sind gehäuft. Wahrscheinlich st die in ganzer Länge harte Wegstrecke besonders ungeeignet für den Trainigs-Einstieg?.

In einem anderen Beitrag haben wir uns den Kopf zerbrochen, wie man das Bild selber bearbeiten kann. Kann man eine Information verstärken? Eine besondere Struktur heraus stellen, verstärken? Gehe zu "Bildbearbeitung".