Unsere Küstenstraße ist hauptsächlich die N 340. Diese ist 1300 Kilometer lang und verläuft von Barcelona bis Cadiz – von der größten Hafenstadt am Mittelmeer zur größten Hafenstadt am Atlantik. Im Wesentlichen ist es die alte Via Augusta, sie führte von Rom über die Pyrenäen schließlich nach Cades, dem heutigen Cadiz.
Manche beklagen sich über die vielen LKWs auf der N 340, da die Autobahn gebührenpflichtig ist. Das kann ich nicht so beobachten. Oftmals, wenn man vorgewarnt ist, findet man es halb so schlimm.
Seit Barcelona ist die Costa Brava zu Ende, die Küste bis zum Ebrodelta heißt Costa Dorada. Sie ist sanfter und weniger heroisch als die nördlich gelegene Costa Brava. Eigentlich ist der nördliche Abschnitt bis Vilanova streng genommen gar nicht die Costa Dorada, sondern die Costa Garras – das erinnert an den griechischen Autor und Regisseur Konstantínos Costa-Gavrás, mit dem sie natürlich gar nichts zu tun hat. Diese Benennungen der Küsten sind natürlich sehr willkürlich, reines Machwerk, gelegentlich aber doch zur Orientierung und zur Charakterisierung nützlich.
Im Tourismus hinkt dieser Küstenabschnitt der Costa Brava und vor allem der Costa Blanca hinterher. Fischfang und Weinbau spielen neben dem sich entwickelnden Tourismus immer noch eine Rolle.
Castelldefels dient als Ausweichquartier für Barcelona und ist mit dem Bus und der Bahn gut zu erreichen. Die Wochenendurlauber aus Barcelona sorgen für periodischen-, der nahe Flughafen für Dauerlärm. Das "alte" Castelldefels ist etwas entfernt vom Meer und hat ein mächtiges Kastell, 16. Jahrhundert, also 15-Hundert noch was, es wurde zum Schutz gegen Piraten aufgerichtet (siehe Begur). Von den olympischen Spielen ist ein mächtiges Ruderbassin übriggeblieben.
In Garraf fällt mir ein ganz markanter Felsen ins Auge. Es gibt kein Foto, aber die Aufzeichnung ist deutlich. Hier hat ein Schüler des Architekten Gaudi der Nachwelt eine Kirche mit Pfarrhaus im "Jugendstil" – sprich "neukatalanischen Baustil" – hinterlassen. Sicherlich sind diese Begriffe künstliche Schlagwörter, aber sie helfen, gewisse Schubladen aufzumachen und Dinge zu sortieren. Der Fachmann mag das als grobe Vereinfachung empfinden.
Die Küstenstraße Garraf bis Sitges ist schön und kurvig. Sie steht mit Recht in der Reihe berühmter Küstenstraßen. Ich erinnere an San Feliou nach Tossa, an Collioure bis Port Bou. Alle diese sind nicht nur eindrucksvoll, sondern auch angenehm im Vergleich zur Amalfitea. Auf letzterer besteht seit einigen Jahren ein so widerwärtiger Rummel, dass die Durchfahrt lebensgefährlich, zumindest aber gesundheitsschädlich ist.
Torredembarra geht nahe ran an ***, zusammen mit Altfulla sogar ganz nahe! Eine schöne Altstadt steht wie so oft im Kontrast zu einer mehr touristischen Strandstadt.
Vom historischen Kern der Altstadt wird mit Recht gesagt, dass er ein Gesamtkunstwerk sei, mit seinen wuchtigen Gemäuern, schmiedeeisernen Gittern, schweren Holztoren und Erkern. Es gibt hier Konzerte und Theater.
Das Rathaus (Alcalderia) ist ein wuchtiges Schloss, sehr geschmackvoll konserviert und lebhaft genutzt. Das Alt-Städtchen ist lebhaft, aber touristisch nicht überlaufen. An der Meerseite ziehen die Fischer ihre Boote nach alter Tradition auf den Sand. Die Nähe zu Tarragona, 13 Kilometer entfernt, macht sich auf die Wasserqualität unangenehm bemerkbar.
Noch näher an der großen Stadt Tarragona liegt Altafulla. Bei vielen Städten gibt es den "Padua-Effekt": Man denkt, um Gottes Willen, wo bin ich hingeraten, und dann wird es zunehmend schöner. Hier ist es nicht so, schon aus der Ferne ist Altafulla interessant und das bestätigt sich aus der Nähe.
Das kleine Städtchen wird von den meisten Autoren vergessen und nur von Fründt hoch gelobt. Mit gutem Recht. Man sollte eine Calle Fruendt errichten. Es ist ein höchst malerischer Ort auf einer Anhöhe, mit mächtiger Burg und Kirche.
Zur Siesta ist Altafulla ausgestorben, also dort ist die Welt noch in Ordnung, nicht diese neuartige europäische Hektik. Die Häuser datieren ab 1648, also der Zeit des Endes des 30-Jährigen Krieges – unter dem Spanien wahrscheinlich gar nicht leiden musste.
Tarragona*** liegt knapp 100 Kilometer südlich von Barcelona leicht erhöht am Meer. Es ist eine sehenswerte Großstadt. Obwohl wir aus der Literatur eine Vorstellung hatten, war der Eindruck überraschend und sehr positiv.
Auch diese Stadt hat ihre Rampla, die zur Flaniermeile geworden ist. Sportliche Leute, die hier Menschentürme bauen, heißen Castelleres, und ihnen zu Ehren gibt es auf der Rampla ein Denkmal – aber auch schon in den beiden zuletzt genannten Orten gab es solche. Am Ende der Rampla liegt der "Balkon des Mittelmeeres", ein Punkt, von dem man an schönen Tagen Mallorca sehen kann. Auf Katalanisch heißt das Anaretocarcero, soll bedeuten "Hingehen, um sich auf der eisernen Balustrade abzustützen".
Die Vorteile von Tarragona sind die gute Küche, gute Weine und ausgedehnte Badestrände. Zu Fisch wird gerne eine Soße serviert: Romanesco, mit viel Knoblauch, Chili, Öl und Nüssen. Der Nachteil dieser Stadt: Es ist laut, es gibt zu wenig Betten in Hotels und Pensionen. Viele vermuten, dass einige Urlauber in die benachbarten Städtchen ausweichen. Ich behaupte, die Urlauber weichen aus, weil die Hotels keine Angebote machen, wogegen die Campingplatze im nördlichen Küstenabschnitt gut und geschäftstüchtig sind, und diese Küste mit der Bahn sehr gut angebunden ist.
Tarragona ist eine römische Gründung, 218 vor Christus. 800 Meter der ehemals vier Kilometer langen Verteidigungsmauer stehen noch. Viel römisches Mauerwerk ist sozusagen recycled und in rezente Bauwerke eingemauert. Außerhalb der Stadt, nahe am Meer, liegt das römische Amphitheater. Hier starb ein Bischof den Märtyrertod, dem ich in Italien in Form seiner Reliquien begegnet bin: der heilige Fruktosus.
In römischer Zeit hatte die Stadt Glück, verfiel aber mit dem Untergang des Römischen Reiches, wurde von Westgoten erobert, von Arabern geplündert, und blieb fast 400 Jahre unbewohnt. Für die Neugründung war von segensreicher Bedeutung, dass die Stadt eine Art "freie Reichsstadt" war, aber sie hatten wieder Pech, zweimal durch die Pest, einmal durch den böswilligen König von Aragon. Auch die Entdeckung Amerikas wirkte sich für die Mittelmeerstädte nicht günstig aus. Dann stritten die Herrscherhäuser, und die Franzosen belagerten 1811 die Stadt. Auch der Bürgerkrieg brachte der Stadt Unglück, und erst in den letzten Jahrzehnten bringen das Industriegebiet im Süden der Stadt und der Tourismus einen Aufschwung. Dazu trägt auch die gute Bahnanbindung bei, unter anderem durch die am Meer entlang verlaufende Bahnlinie. Diese endet nach meiner Kenntnis in Gandia. Ich kenne mich zu wenig in der Wirtschaft aus: Ist es ein gesamtspanischer Aufschwung, oder überholt Tarragona sogar die landesdurchschnittliche Wirtschaftsblüte, die erst 2008 wackelt?
Viel römisches Mauerwerk ist sozusagen recycled und in rezente Bauwerke eingemauert. Außerhalb der Stadt, nahe am Meer, liegt das römische Amphitheater. Hier starb ein Bischof den Märtyrertod, dem ich in Italien in Form seiner Reliquien begegnet bin: der heilige Fruktosus.
Ein architektonischer Glanzpunkt ist die Kathedrale. Sie steht an der Stelle eines Jupitertempels und folgte 1171 einer westgotischen Basilika, nachdem gerade die Mauren vertrieben waren. Während in Gerona die sensationelle Breite des Gewölbes ins Auge fällt, ist es hier die enorme Länge des Kirchenschiffs: über 100 Meter.
Die Kunstschätze sind enorm. Es geht besonders um die heilige Thekla, eine Schülerin des Apostels Paulus. Im Kreuzgang entdeckt man Überbleibsel der maurischen Epoche.
Ausflüge von Tarragona führen zur "Teufelsbrücke", dem Aquaeducto Romano Ferres, 217 Meter lang und 25 Meter hoch. Fast oder genauso eindrucksvoll wie der "Pont du Gard".
Ein weiteres klassisches Ausflugziel ist das Kloster Puplet, das bedeutendste Zisterzienserkloster in Katalonien und Weltkulturerbe. Die Bedeutung wird auch daraus deutlich, dass hier die Könige von Aragon bestattet sind. Katalonien und Aragon scheinen über lange geschichtliche Abschnitte eng zusammengehört zu haben. Ferdinand von Aragon hat offenbar auch Katalonien mit in die Ehe gebracht, sonst hätte ihn Isabella gar nicht genommen. 1835 wurden im Zuge der Säkularisation alle Klöster geschlossen und häufig sogar zerstört. Auch dieses große Kloster blieb ein Jahrhundert unbewohnt. Es gibt noch ein zweites berühmtes Zisterzienserkloster in dieser Region, nämlich das von Santes Creus.
An der Costa Dorada südlich von Tarragona sind eigentlich nur zwei Orte wichtig, Salou und Cambrils. Wer wie wir den ersten Kontakt zu Spanien gewinnt, muss auf diese beiden Orte nicht sein Hauptaugenmerk lenken.
Die Uferpromenade von Salou macht Freude durch farbenfroh und geschmackvoll bepflanzte Blumenrabatten. Der Ort ist mit seinen Dutzenden Discotheken stark auf den Tourismus ausgerichtet: "Playa de Europa". Salou hat ein markantes Cap. Ich schreibe die spanische Orthographie, weil sie fast immer leichter ist als die deutsche. Es gibt an der umliegenden Küste nicht nur (langweiligen) Sand, sondern auch Felsen mit einer eindrucksvollen Unterwasserwelt. Alte Regel: Wo ein Cap ist, ist meisten auch Fels. Ausgenommen die Caps, die durch Flussmündungen geformt sind, wie z.B. das Ebro-Delta.
Sehenswert ist der alte Wachturm Torre Vela und einige Bauten im Stile des Katalanischen Modernismus (Gaudi-Schüler). Es gibt auch eine Art Disney-Land mit fünf Themen: Polynesien, Mexiko, China, Wilder Westen und Mittelmeer. Alles ist etwas plakativ gestaltet, man kriegt das zu sehen, was man auch erwartet.
Eine der Attraktionen ist der Katalanische Volkstanz Sardanas. Ich habe dieses Ereignis bereits zu Zeiten Francos in Palamos gesehen. Damals war es vielleicht noch mehr als heute eine Demonstration katalanischer Eigenständigkeit. Zu gerne hätte ich mitgemacht.
Wir waren mit Genuss im Wasser: Ganz so schlecht, wie oben bemerkt, ist Salou doch nicht.
Es gibt Stimmen, die Cambrils loben: Harmonie zwischen Fischfang und Tourismus. Alles sei preisgünstig (für Rockefellers?) und die Küche habe durch das reiche Angebot aus dem Meer (aus welchem Meer?) einen sehr guten Ruf. Ich kann das gar nicht nachvollziehen! Mein gewisses Befremden über die Hotelpreise ist hauptsächlich in Cambrills entstanden, als wir, wegen Zahnschmerzen, einen Tag länger bleiben wollen, hat man uns noch 40 Euro draufsatteln wollen. Das am Wochenende sei der Sonderpreis gewesen und jetzt „… Die Hotel-Leute haben die "Harmonie zwischen Fischfang und Tourismus" sehr wörtlich genommen. Fairerweise muss ich zugeben, man hat es versucht. Warum soll man es nicht mal versuchen dürfen.
Die von mir so geschätzte Paella ist mir schlecht bekommen. In der Begeisterung wurde dem Heißhunger zu sehr nachgegeben. Am nächsten Tag geht es mir erst nach 16 Uhr wieder gut. Ich war unvernünftig und jetzt lasse ich meinen Frust an dem unschuldigen Städtchen Camprils aus. Immerhin gibt es ein schönes archäologisches Museum in einer alten Mühle nahe der schon zitierten N 340, der uralten Via Augusta.