Von Nizza über Cannes hinaus bis La Napoule ist die Küste nicht so interessant (ausgenommen die Halbinsel von Antibes). Antibes wurde übrigens von den Griechen gegründet. Es hat ein Grimaldi-Schloss, sehr trutzig, eine Picasso-Sammlung, reichlich Blumen- und Gartenkulturen und bietet sich an als Ausgangspunkt für Ausflüge: in die Töpferstadt Vallaoris ca. zwei Kilometer vom Meer entfernt gelegen und nach Biot zum Museum Leger.
Cannes wurde wie viele berühmte Mittelmeerstädte von den Engländern entdeckt. Vieles schmückt sich mit den Worten "exquisit" oder "prestige". Beim Filmfestival im Mai lebt die große Stadt auf.Wahrscheinlich sind nur dann die 8000 Fremdenverkehrsbetten belegt. Durch die Erfahrungen in Nizza meide ich Cannes und fahre einige Kilometer Autobahn.
La Napoule ist praktisch noch ein Vorort von Cannes. Man kann über die große Bucht nach Osten auf die Stadt hinüberschauen und sieht im Hintergrund noch das Cap d’Antibes. Die Stadt schmückt sich mit einem Bilderbuchschloss im Besitz eines amerikanischen Bildhauers, der hier ein schönes Museum eingerichtet hat. Der Autoverkehr wurde jetzt erfreulich flüssig. Ich notiere, dass der Ausblick aufs Meer von seltener Schönheit ist.
Überhaupt folgen jetzt ab La Napoule gut 30 Kilometer höchst malerische Küstenstraße. Sie führt mich im ersten, östlichen Teil um das Massif de l ’Esterel herum. Wahrscheinlich kann man das Ganze auch als Cap Roux benennen. - Mehrfach notiere ich an dieser Küste "wunderbar". Auch der nächste Abschnitt mit gut 50 km ist sehr schön.
Waren die Steine bei Monaco grobe Kiesel, haben wir hier warmen, roten Sediment-Stein und als Zugabe ein wunderbares Licht. Die Straßenbauer haben auch mit Aussichtspunkten nicht gespart. (Leider ist meine Erinnerung jetzt beim Durchlesen schon etwas blass geworden und vermischt sich mit den Eindrücken anderer, malerischer Küstenstraßen.)
Dieser erste schöne Küstenabschnitt endet in Saint Raphael. Die Ortsdurchfahrt ist malerisch und völlig unproblematisch. Der Lastwagenverkehr wird weggeleitet. Es gibt einzelne Jungstilarchitektur. (Saint Raphael kann man gegen mehrere Nizzas und San Remos eintauschen.)
Die Stadt erscheint quasi mit Frejus zusammengewachsen. Dort findet sich eine moderne, funktionelle, nicht sehr fantasievolle, aber auch nicht kreuzlangweilige Architektur. Den Flughafen muss man etwas umständlich im Tal des Flusses Argens umfahren.
Nach der Durchquerung des breiten Tales komme ich nach St Aygulff; ich finde hier einen Camping- Platz mit 500 Stellplätzen. Obwohl nur vereinzelte Gäste da sind, schaffen es zwei Jungs, mit ihrem Fernsehgerät alles zu zudröhnen. Das Problem lässt sich lösen. - Am Abend nutze ich - wie so oft - das Fahrrad und radele gut sechs Kilometer.
In der Nacht wird es sehr kalt; wahrscheinlich ist es der Mistral, der aus den Alpen kommend das Flusstal herunterjagt. Am nächsten Tag decke ich mich im wahrsten Sinne des Wortes beim nächsten Supermarkt mit einer zusätzliche Decke ein.
Die nächsten ca. 50 Kilometer umrunden das Maurenmassiv, die markanten Erhebungen heißen Ramatuelle oder Col de Collebasse. Corniche-des-Maures. Es gibt allerdings einen auffälligen Einschnitt bei Saint Maxime und Saint Tropez.
Zuerst: Les Issambres, ein langgezogener Ort, den man
eigentlich kaum bemerkt, so verstreut und versteckt sind die vielen Ferienhäuser. Er bietet sechs kleinere Strände und eine Fischsuppenspezialität. Marseille wird Konkurrenz gemacht.
In der Tiefe dieses Golfes liegt Port Grimaud, eine (originelle) Kunststadt. Sie ist autofrei, besitzt aber ausgedehnte Wasserstraßen zur Freude der Besitzer von Schiffen.
Jetzt kommen wir nach Ste. Maxime mit einem markanten burgartigen viereckigen Turm und üppige Blumenpracht. Gegenüber in einer charaktervollen Bucht liegt St. Tropez.
Beide Orte haben sich Konkurrenz gemacht. St. Tropez ehemals selbständige Republik hat 1637 sogar einen Sieg über 21 spanische Schiffe errungen. Dann kam nach einer langen Phase der Lethargie erst vor einigen Jahrzehnten der große Aufschwung; dieser hat inzwischen zu unsinnigen Preisen geführt. Einer der St.Tropez bekannt gemacht hat ist der Maler Paul Signac.
Schön ist die Ortsausfahrt, sie bringt mich zwischen mächtigen Natursteinmauern auf die Straße durch die Halbinsel im Süd-Westen des Städtchens. Eine richtige Traumstraße, die im Reiseführer nicht beschrieben und gewürdigt wird. Dort beschränkt man sich auf das Esterel , eine Halbinsel unmittelbar im Anschluß an St.Tropez (Cap Camarat) , einen Ausläufer des Maurengebirges.
Der Weg geht zuerst nach la Croix Valmer; das liegt in der Basis der genannten Halbinsel, also etwas distanziert vom Meer. Die Wegweiser zeigen sehr unterschiedliche Schreibweisen.
Sechs Kilometer weiter auf schöner Strecke mit zunehmendem Meerblick folgt Cavalaire. Das Städtchen ist fast zu modern und zu flach um "Sterne" zu erwerben; erfreulicherweise gibt es reichlich Campingplätze! "Viele Campingplätze" können ein Zeichen sein für eine gute Küche und für das Fehlen großer Hotelkästen. - Der Strand bei Cavalaire wird schon stark frequentiert, es wird fleißig Sonnencreme geschmiert. Es ist ja auch der südlichste Punkt auf der bisherigen Fahrt. Will man etwas essen, kostet es im Vergleich zu St. Tropez etwa die Hälfte.- Vielleicht müsste ich doch großzügiger sein und wenigstens einen kleinen Stern vergeben.
Jetzt geht es malerisch weiter. Die Straße windet sich in mäßiger Höhe mit dramatisch schönen Ausblicken auf die Hyéres-Inseln. Im Osten liegt das beschriebene Cap Camarat (westlich von St. Tropez). Im Westen meiner Straße sehe ich, wie auf einer Postkarte, das Cap von le Lavendou (oder Benat). Die ganze Straße heißt immer noch Corniche-des-Maures, da sie einen Teil des Maurengebirges umrundet.
In Lavendou höre ich zum ersten Mal eine Grille zirpen. Nicht nur Grillen auch Dichter und Maler siedeln hier gerne. Man kann zum Kap herunterfahren, es aber nicht vollständig umrunden.
Im Meer draußen kommen die Iles d’Hyères näher. Sie werden als "goldene Inseln" beschrieben, das will besagen, dass die Vegetation an diesen südlichsten Punkten Frankreichs besonders reich ist. Andere meinen, es beziehe sich nur auf die Preise.
Ich fasse den Entschluss, Toulon, den großen Marinehafen, mit Hilfe der Autobahn zu umgehen. Auch von Hyères habe ich nur einen Teil auf einer Allee mit fantastischen Palmen und rosa blühenden Bäumen eilig durchmessen. Dann folgt eine so ausgebig untertunnelte Autobahn, dass man von Toulon nur noch das riesiges Fort auf dem Berg sieht.
In Sanary verlasse ich die Autobahn, habe nur noch zwei Kilometer zum Meer und finde einen sehr schönen Campingplatz. Er liegt unmittelbar am Meer und wird - wie es sich gehört - von schönen schiefen Pinienbäumen überdacht. Die Küste ist steil. Ich muss mit meinem Rädchen einige Hügel hinauf- und hinunterfahren, um ins Städtchen zu gelangen. Dieses hat mehrere Besonderheiten, unter anderem auch ein Theater, in dem sie Malers neunte Symphonie aufführen; vorsichtshalber schreiben die Franzosen dazu "Musique".
Sanary hat zwei Sterne verdient. Auch der Yachthafen ist malerisch gelegen sehr schön. Vielleicht zwei Kilometer entfernt komme ich nach Six Fours, und zwar an der Basis der Halbinsel westlich von Toulon. Auf diesem Weg erfreuen mich mehrere markante Aussichtspunkte. Dort, in Six Fours haben wir Verwandtschaft; diese ist leider zur Zeit ausgeflogen.
Der neue Tag bringt mich sehr schnell nach Bandolle, von allen Yachthäfen ist dies bisher der mächtigste. Mitten in der Promenaden-Region steht ein mobiles Zementwerk. Offenbar braucht man zur Hafenerweiterung viel Speis. Zum ersten Mal sehe ich neben den Immobilienhändlern auch einen Markt für Schiffe.
Im weiteren Verlauf notiere ich eine spiegelglatte Straße. Meine Kutsche rollt scheinbar ohne Motor. Nach Überquerung eines Buckels gelangt man in einem wunderbaren "Garten" mit zu beiden Seiten aufragenden Jurakalkfelsen.
St. Cyr liegt etwas abseits vom Meer und vermeidet es, einen besonderen Eindruck zu mache (ich notiere "Provinzkaff", das erscheint mir heute etwas grob).
Markanter ist der nächste Ort, La Ciotat. Es klingt spanisch. Dieser besondere Ort wird markiert durch mehreren riesige glatte Felsbrocken, die den Hafen schützen. Sie erinnern an Cefalou in Sizilien. Die Landschaft wirkt schon stark wie der Midi, der französische Süden mit seinen einfachen, hellen, manchmal etwas ärmlichen Häusern. Vor allem das Licht hat sich verändert. Die Platanen sind nach Midi-Art gewaltsam gestutzt. Es gibt auch viele Palmen und überraschend viele Parkplätze. Sogar so viele, dass kaum einer besetzt ist. Trotzdem möchten die Stadtväter Geld einsammeln und haben fleißig Parkuhren aufgestellt. - Es gibt am Hafen eine tolle Rutsche, die Moni Spaß gemacht hätte. Stellvertretend für sie bin ich einmal - nach artigem Abstellen meiner Schuhe - runtergerutscht.
Leider litt ich jetzt am "Syndrom der schlechten Auto-Karte" und ich habe in Ciotat die wichtige Abfahrt zur malerischen Höhenstraße Corniche de Cretes versäumt. Im Umfeld der riesigen Stadt ist das Straßennetz dichter, man sollte sich eine gute Karte beschaffen und sich nicht wie ich auf seine Intuition verlassen. Mir wurde erzählt, dass man auf der wunderschönen Straße an einem Leuchtturm in 350 m Höhe vorbeikommt, der zum meditativen Verweilen einlädt .
Cassis wird von mir umgangen und ich gelange auf Höhenstraßen, vergleichbar den Wegen durch Wales in England: einsam mit spärlicher Vegetation, schöner Weitsicht, danach die . großzügige Abfahrt und Einfahrt nach Marseille.
Die Stadtbesichtigung fällt sehr knapp aus: Notre Dame de la Garde, 162 Meter hoch über der Stadt. Cité Radieuse, alter Hafen, alte oder neue Kathedrale, Cannebière. -
Als Ausfahrt habe ich nicht die streng nördliche, nach Aix, sondern den nordwestlichen Weg zum Flughafen und nach Martigues genommen. Letzteres liegt am Étang de Berre. Zwischen diesem Étang und dem Meer erhebt sich etwas östlich ein Bergzug. Diesen durchquere ich nicht auf der Autobahn, sondern auf der schönen Straße, teils entlang der Küste über Carry und Carro. Von Carro aus überquert man die Hügelkette und sieht die mächtigen Raffinerien von Fos nahe der Mündung des Grand Rhône.
Martigues liegt westlich der genannten Hügelkette,südlich vom Étang und nördlich vom Meer. Zwischen beiden letzteren ist ein Kanal. Dieser wird von einer mächtigen Autobahnbrücke und von einer kleineren Hebebrücke überspannt. Ich will nicht gleich auf die Nationalstraße N568 nach Arles, sondern am Étang bleiben und St. Mitre les Remparts besuchen. Dies ist ein Schmuckstück von einem alten Städtchen, es liegt leider abseits. Campingplatz und Restaurant finde ich etwas außerhalb der Altstadt am Wasser. Beide sind einfach und gut. Manchmal herrscht auf dem flachen Land die Sitte, dass man viel Mayo auflädt, damit der "müde Wandersmann" auch satt wird.
Leider habe ich am nächsten Tag mit Kopfschmerzen zu tun. Dazu plagt mich die Zivilisationkrankheit, nicht geduldig abwarten zu wollen.