Mail. 8
Geographie und Psychologie mit Blick auf Arkadien.
Wo sind wir? An der Südküste der Argolis, sozusagen zwischen Argolis und dem übrigen Peloponnes, am Argolische Golf.Die gegenüberliegende Küste wird (noch) zu Arkadien, dem zentralen Hochland der Peloponnes, hinzugerechnet. Wir sahen es schon mehrfach aus der Ferne.
"Auch ich war in Arkadien geboren,
auch mir hat die Natur an meiner Wiege
Freude zugeschworen,
doch Tränen gab der kurze Lenz mir nur". (Schiller)
Arkadien mit dem wohlklingenden Fluss Alpheios mit seinen Zuflüssen Ladon und Erymanthos ist das Land der Sehnsucht für die Dichter und Aussteiger. Bei so klangvollen Flüssen und der Stadt Megalopolis müssen natürlich die Blumen erblühen, Früchte reifen und in der Luft der Wohlklang der Hirtengesänge erschallen. Immer wieder wird sie gelobt, die alte und unverdorbene Sitte; die Schäferidylle im Zentrum des Peloponnes.
Wenn ihr das hört, könnt ihr Euch so richtig vorstellen, wie der arme Wanderer von Sehnsucht ergriffen , zu gerne ins Hochland von Arkadien vorgestoßen wäre.
< wird 2010 nachgeholt.>
Die Legendenbildung darf nicht verwundern: Arkadien war aufgrund seiner Gebirgslage schon immer von der Entwicklung abgeschnitten. In Arkadien hat noch nie ein Handy funktioniert.
Zurück aus Mykene geht es jetzt endlich weiter nach Süden: auf der arkadischen Seite des Golfs von Argolis. Anfänglich ist der Weg unerfreulich. Nach Nafplion stinkt es aus vielen Sümpfen. Erst nach eine kleineren Wegstrecke wird es richtig schön. In Mili gibt es eine Ausgrabungsstätte: Lerna. Die Fülle archeologischer Plätze wundert nicht in diesem geschichtlich so bedeutenden Landstrich.
15 km nach Naphplion muss man die Küste verlassen. Die Straße ist sogar von Astros (Rand eines Fussdeltas, strandseitig eine fränkische Burg); bis Leonidio ist es besonders schön!
Auf diesem Abschnitt geht es wiederum 15 km durchs Land und dann wieder am Meer entlang. Auch dieser letzter Teil der Route hat ausgesprochene Reize und nette Ansiedlungen:
Tserfos (nur ein paar Häuser)
Paralia Tiroú,
ein Apollo-Heiligtum mit eindrucksvollem Blick hinüber auf die Argolis und die Insel Spétses.
Livádi und Sambatikí; da kann man nichts falsch machen; die Touristik hält sich in Grenzen.
Ich gebe diesen Geheimtipp "Küste Arkadiens" gerne an Euch weiter. (Hoffe trotzdem, dass es vom großen Tourismus weiterhin unentdeckt bleibt). -
(Die Übertragung des Griechischen in lateinische Schrift ist Glücksache. Schon mehrfach habe ich mich damit zu entschuldigen gewusst. Regeln scheint es nicht zu geben. Ich habe jetzt sehr direkt übersetzt: Livádi. Das v ist in gr. Schreibweise ein Beta, ein f zu schreiben statt dem Phi, ist eine Qual für den Philhellenen, aber was hilft es: Hauptsache man kann es verstehen).
Besonders die Bergkulisse im Hintergrund (ca.1200m hoch) ist markant. Es gibt noch mehr Windmühlen als auf der Argolis, die zum interessanten Bild dieser Landschaft beitragen. Mein Mittagsschlafplatz war heute zu sonnig und zu warm. Ein Schattenplatz gehört zu meinen wichtigsten Bedürfnissen. Am liebsten eine Eiche. Es lohnt sich, die Mittagszeit totzuschlagen mit essen, schlafen, lesen, schreiben, zeichnen etc. Das Mittagslicht erzeugt keine Kontraste, keine vollen Farben. Erst ab 4°°Uhr malt die absteigende Sonne wunderbare Schatten, und eine Symphonie der Farben. Auch das ist Arkadien.
Gelegentlich gibt es ein Grundstück zu kaufen. Da könnte der betuchte Philhellene nichts falsch machen; Voraussetzung ist, dass er die Sprache viel sorgfältiger studiert, als ich dies tue.
Hier, in geringer Entfernung vom Meer liegt: Die bemerkenswerte Ortschaft Leonidio. (Der Name lässt an Leonidas denken, aber wir sind hier noch nicht im Einflussbereich des Spartanerlandes "Lakonien"). Die Felsenmassive zu beiden Seiten des engen Tales sind markant. Durch das zentrale enge Gässchen zwängt sich die "Nationalstaße". Handwerker lassen sich von den Fahrzeugen nicht stören, die sich am Blasebalg, an der Hobelbank oder am Nähtisch vorbeischieben. - Die Dorfbewohner sind freundliche Leute, die allerdings den türkischen Besatzern (und vielleicht auch den deutschen?) wenig Freude gemacht hatten; sie zündeln gerne. An Ostern wird "Judas verbrannt" und Lampions werden in Brand geschossen; Hier ist die Kirche noch im Dorf. Licht- und Schattenseiten des Tourismus sind nicht festzustellen, weil es einen solchen nicht gibt. –
Merkwürdige, normannisch anmutende Türreliefs sind in Wirklichkeit nur traditionell verzierte Steine und lassen gar nicht auf ein bestimmtes Alter schließen.
Es gibt ein Hotel; es liegt am Ortseingang, es gehört zu der Sorte "von außen eher beunruhigend, aber innen gut". Auch das ist nicht untypisch für Griechenland. Gute Lokale gibt es einige km entfernt, im kleinen Hafen. Besonders die Auberginen waren gut. Wirte klagen über die zu kurze Saison. -
Man kann guten Mutes durch die Furt fahren – jedenfalls ab April.
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Es gibt einen "besseren Feldweg", der mich nach Skála (30 Kilometer südlich von Sparta) bringt . Keinerlei Verkehr behindert die Fahrt.
Skala besitzt keine verwunschene Burg und ist auch sonst kein Highlight. Mein Hotel hat 6 gelangweilten Mitarbeiter (ich bin der einzige Gast); sie kommen in Bewegung, als sie die Aufgabe erkennen, mir ein Frühstück zu machen. Dies wird für griechische Verhältnisse üppig. Auf einer Serviette: Knäckebrot, Honig, Apfelsine und Kaffee ellenikos d.h. in ganz kleiner Menge Wasser aufgekocht und ungefiltert. – Im Gegensatz zu den Hotel-Angestellten sind die Schwarzarbeiter, die am Sonntag einen neuen Boden legen, sehr fleißig und schnell.
< 6 Jahre später ist Skala zwar nicht schöner geworden, macht aber einen erheblich lebhafteren und geschäftigen Eindruck. Es stimmt nicht mehr, dass manche Beschäftigte nicht so recht wissen, was sie machen sollen. Ich bin überzeugt, es kommt auch für dieses Städtchen eine erfreuliche Entwicklung.>
Viel schöner wäre es gewesen, im 17 Kilometer entfernten Hafenstädtchen Gutheio = Gíthio zu bleiben, und dieses als Stützpunkt zu nutzten. Ich aber habe Skala - obwohl kein Schmuckstück - als Ausgangspunkt für den Ausflug nach Monemvasia benutzt. Nach dem Ausflug bin ich in mein Hotel zurückgekehrt. Irgendwie habe ich mich an meine Bauarbeiter, an mein Frühstückspersonal, an mein Internetcafé und an mein griechisches Frühstück gewöhnt.
Beim Ausflug geht es 35 Kilometer weit durch hügeliges Land bis Mólai. Schönes frühes apollonisches Licht. Dann 15 km schnurgerade durch eine Ebene und bei Sykéa , 3 Kirchlein auf der Bergkuppe, wieder ins Bergige - nur das letzte Stückchen offenbart den Meerblick nach Monemvasiá.
Ein malerisches Städtchen am süd-östlichen Zipfel des Peloponnes. Es liegt, vergleichbar mit Nafplion, an und auf einem mächtigen Felsklotz. Er ist noch gewaltiger als jener malerische Felsklotz in Cefalù in Sizilien. Andere vergleichen es mit Frankreichs Mont Sant Michel.
Der Name Monemvasiá bedeutet "nur 1 Eingang"! Erst in historischer Zeit ist die Verbindung zum Festland "abgerissen".
Es war die letzte Festung des Byzantinischen Reiches und die erste dieser Größe und Bedeutung, die die Türken 1821 wieder hergeben mussten. Die erste griechische Nationalversammlung hat mit diesem Ort eine gute Wahl getroffen. - Der Wein der Region ist sehr bekannt; eigentlich ungewöhnlich für Griechenland, wo die ( für mich einleuchtende) Formel gilt: oinos ist oinos.
Eine Brücke führt von dem modernen Städtchen auf dem Festland hinüber zu dem Felsen. Ober - und Unterstadt sind zwar Ruinen, aber aufgebessert und museumsartig aufgemacht. Monemvasia ist ein Highlight, einer der schönsten Punkte in Griechenland. Die Oberstadt hat eine fast tausendjährige Kirche: Agia Sophia; die Unterstadt lässt venezianischen Stil erkennen.Derartige Flottenstützpunkte haben die Venezianer gerne ausgesucht und befestigt. - Im Laufe meiner Tour sehe ich die Landschaft mit venezianischen Augen; man wird zum Makler, der verschiedenen Leuten unterschiedliche Liegenschaften anbietet: dieses unwirtschaftliche Inselchen verkaufen wir den Venezianern; das bieten wir preisgünstig den Franken an und hier ist es so schön, dass die alten Griechen sicher einen Tempel errichtet haben ...etc.
Die Rückfahrt zu meinem Stützpunkt Skala erfolgte an der Westküste dieses östlichen Süd-Peleponnesischen Fingers. Zuerst geht es, wie so oft, klein-kurvig über die Berge: Nomia, Lira, Pandánassa am Berghang (moderne Schreibweise verwandelt "panta" in "panda"),
Arhángellos der einladende Ort am Meer(chi gerne nur als h geschrieben) mit einer Halbinsel. Von dort sieht man im Nord-Westen in 10 Kilometer Entfernung die eigentlich kleine, aber von hier aus stattlich imponierende Halbinsel Xylis.
Jetzt geht es nicht nach Demoniá sondern enger an der Küste entlang nach Paralía mit malerischem Meer-Blick. Das letzte Stück war ausnahmsweise etwas stressig wegen des überraschend dichten Verkehrs: weg vom Meer; zurück bei Eléa und wieder ins Land hinein.
Am nächsten Tag in Skala wieder das üppige Servietten-Frühstück. Dieses hat den Vorteil, den zeitigen Aufbruch nicht zu behindern. Das frühe Licht ist wunderbar. Die langweilige Mittagszeit muss man irgendwie überbrücken z.B. unter Brücken verschlafen.
Soll ich die spärlichen Ruinen Spartas oder das neue Sparta besuchen? - Vorläufig entscheide ich mich dagegen und mache folgenden Plan: nach Süden um das ganze Mani (und damit um den Taygetos herum will ich dann irgendwo im Norden die Berge überqueren und in die lakonische Ebene zurückkommen.
Von Skala nach G. habe ich mein inzwischen vertrautes Parnon Gebirge im Rücken, links das Meer und rechts den Taygetos. Alles klar! Hinter mir die rote Ebene ,(stellenweise etwas hügelig mit den wunderschön blühenden Bäumen, viel Ginster, Tonabbau, auf den Straßen stellenweise die von zahllosen Hufen verteilten Exkremente der Ziegen.
Hier mitten in Lakonien ist der richtige Ort zum Nachdenken: Diese Lakedaimonier waren keine Humanisten. Wer schon Blutsuppe zum Frühstück einnimmt, neigt zu Gewalttätigkeiten. Ein Rat hatte zu beurteilen, ob ein Säugling aufgezogen oder wegen Schwächlichkeit in eine Schlucht des Taygetos-Gebirges geworfen werden musste.
Die Spartaner haben früh Nationalismus und Darwinismus kombiniert. Ist diese Verknüfung zwingend? Sie versuchten, eine Rasse von Übermenschen zu züchten und ihre Untermenschen auszunutzen. Immerhin gaben sie zu, dass sie ihre "Heloten" brauchten.
In meiner Schulzeit, in die noch manche Nazi-Idee herübergeschwappt ist, fanden wir die Spartaner unsympathisch. Etwas muss man ihnen zu Gute halten. Der ganze Zorn über neuzeitliche Nazigräuel lädt sich auf den Spartanern ab. Zur Entschuldigung der Spartaner muss man auch sagen, dass manche Nazis meinten, sie wären Spartaner; dabei waren sie nur Spitzbuben.
In meiner Horrorbibliothek (Göbbels bis Stalin) findet sich ein Buch von Frau von Richthofen, in dem sie die gewalttätigen Redensarten spartanischer Mütter nachplappert.
Sicher gab es auch bei den Spartanern Licht und Schatten. Im vorletzten Brief habe ich sie in Schutz genommen, wegen ihres europäischen Gewaltaktes bei den Thermopylen. Immer dann, wenn den Spartanern das Wasser bis zum Hals stand, haben sie über den Tellerrand geblickt und panhellenisch, vielleicht sogar europäisch gedacht. Wahrscheinlich haben bei der Befreiung von den Türken - ab 1823 - Nachfahren der Spartaner eine bedeutende Rolle gespielt.
Guthio oder Githio ist eine tolle Überraschung. Ich habe es schon erwähnt. Ein romantischer Hafen- und Fischerort mit einer reizenden Silhouette. Ein Geheimtip der sicher 3 Pluspunkte verdient. Dieses hübsche Städtchen war vom Erdboden verschwunden, wurde aber wieder gegründet.
Nenne mir eine spanische Stadt mit gleichem Schicksal? - Tarragona. - Ich bin begeistert von dem kleinen Hafen, von dem nach Kreta übersetzen werden kann.
<Jetzt 2010 haben wir das Städtchen genauer angeschaut und waren etwas enttäuscht. Es gibt halt viele Ruinen; manches ist lieb gestaltet und daneben lieget der größte Dreck. Offenbar kämpft sogar ein Städtchen in bevorzugter Lage mit der schwindenden Bevölkerung, mit fehlendem Geld und fehlender Initiative.>