Sie war uns wenig bekannt. Sehr viel hat sich abgespielt in den Jahren mit zwölf am Anfang = 12.. (Fachlich korrekt: im 13. Jahrhundert).

Das gilt auch für die Geschichte Litauens.

Charakteristisch ist, dass es im 13. Jahrhundert das letzte europäische Land war, welches zum Christentum bekehrt wurde. Die Liste seiner Könige ist übersichtlich, es gibt nur einen einzigen MINDAUGAS. Gewisse Gemeinsamkeiten mit Bayern, welches es immerhin auf drei Könige brachte. Als dieses Intermezzo des selbstständigen Königtums schon abgeschlossen war, war Litauen lange, fest und ohne Hader mit Polen verbunden. Als Jahreszahl für den Beginn dieser Verwendung schreibe ich mir auf 1385: litauisch-polnische Union. Daher ist Litauen katholisch. Man sagt den Litauern nach, sie seien temperamentvoller als ihre Nachbarn und sie hätten eine ausgeprägte Natur-Liebe; diese habe sich aus der heidnischen Zeit herübergerettet (eine Art Pantheismus).

Die Polen sagen - genau wie die Deutschen - Wilna zu Vilnius.

Wir hatten gerade mit Erfolg gelernt, diese drei Staaten nicht durcheinander zu werfen und da tauchte noch ein zusätzlicher Begriff auf: Livland mit oder ohne ie, in mehreren weiteren Varianten. Was hat es damit auf sich?

Livland hat was mit deutschem Einfluss zu tun; es ist das Territorium des Schwertbrüderordens, im weitesten Sinne des heutigen Estland und Lettland. Mit schrumpfendem Einfluss ist auch Livland immer kleiner geworden. - Tallinn (anfänglich Reval) gehörte zuerst nicht dazu; es war eine dänische Gründung und blieb Dänisch bis es sein König an den Deutschen Orden verkaufte. Führer dieses Schwertbrüder- Ordens war u.a. ein Albert I, Bischof von Bremen, der auch Riga gegründet hat. Dieser „Orden“ ging 12.. im deutschen Orden auf. Wenn solche Brüder freiwillig irgendwo, dann ist vorher etwas schiefgelaufen und sie konnten es durch den Beitritt ausbügeln. In diesem Fall war es die verlorene „Sonnenschlacht“.

Viel später 1410 gab es eine Schlacht von Tannenberg. Diese Schlacht wird ungeheuer stilisiert als Sieg Polen-Litauens über den räuberischen Deutschen Orden (nicht zu verwechseln mit der großen Schlacht des Ersten Weltkriegs zwischen dem deutschen und russischen Reich). . 1410 hat Preußen stark an Macht verloren, nicht aber der Deutsch- Ritter- Orden. Er behauptete sein Gebiet. Der Guru des Deutschen Ritterordens der Deutschmeister blieb zwar noch eine Weile katholisch, aber im Orden setzte sich zunehmend die Reformation durch. Zwischen den Konfessionen ging es friedlich zu. Der neue Protestantismus blieb auch ein kulturstiftendes Bindeglied zwischen den Volksgruppen, als der Orden zerbrach.

Es gab zwei wichtige russische Invasionen dieser Landstriche: 1558 marschierte Iwan der Schreckliche ein. Einige (deutsche) Ritterschaften unterstellten sich schnell freiwillig polnischer Oberhoheit, einige auch den Dänen und Schweden. Livland war mächtig geschrumpft. Der Name Livland wurde aber immer noch angewendet. Der Einfluss der Schweden wurde im 30-jährigen Krieg unter Gustav Adolf II noch größer.

1720 kam der zweite wichtige russische Einfall: Peter der Große eroberte einen Großteil von Estland. Die Zeitgenossen hat beeindruckt, dass es ihm gelang, 1704 die Festung NARVA zu erobern. Diese war strategisch wichtig, da sie die Verbindung nach Sankt Petersburg kontrollierte; heute findet sich dort noch das letzte offizielle Lenindenkmal. Ich erwische mich, dass ich ganz automatisch -auch heute noch - eine Verbindung herstelle: Zar Peter- Zar Lenin, (Zar Putin). 

Einige Städte behielten auch nach der russischen Eroberung ein gewisses Maß an Selbstständigkeit. Nach der ersten polnischen Teilung kamen auch die letzten polnischen Teile von Livland zum Russischen Reich.

In der Folge blieb das Baltikum mit seinen unterschiedlichen Sprachen und Völkern viele Jahre russisch. Erst im 19. Jahrhundert gab es ein „nationales Erwachen“ und erst nach der Niederlage des Zarenreiches 1917/18 konnten sich die drei Länder für unabhängig erklären. Die Freiheit währte nur kurz: im Hitler Stalin Pakt wurde das Baltikum der Sowjetunion zugeschlagen (es wurde von Hitler sozusagen verschenkt), die russischen Truppen kamen zurück. Offenbar unter dem Eindruck des deutschen Angriffs wurden Massen von Balten nach Sibirien deportiert. Die Wehrmacht eroberte das Baltikum und es erfolgte der Massenmord an baltischen Juden, wobei eine Mitschuld von Teilen baltische Völker nicht zu verneinen ist. 44/45 kam die Rote Armee zurück und die Deportationen nach Sibirien liefen wieder an. In den Jahren nach der Rückkehr der Roten Armee gab es eine große Zahl von Partisanen in den weiten Wäldern des Baltikums. -

1989 bildeten die Balten eine Menschenkette quer durch alle ihre Länder von Norden nach Süden zum Gedenken an den unseligen Pakt von 1939. Es hat sich der Begriff der „singenden Revolution“ eingebürgert. Litauen erklärte sich als erstes der drei Länder 1990 für unabhängig. Es dauerte noch bis 99, bis die letzten Sowjet- Truppen abgezogen waren, also erheblich länger als der Abzug aus den deutschen Ländern. Auch in Estland sieht man noch vereinzelte Zeugnisse der jüngsten Auseinandersetzungen, nämlich mächtige Steinbrocken, die man mit Bulldozern herangeschafft hat, um sowjetischen Panzern den Weg in die Stadt zu erschweren oder ganz unmöglich zu machen. Man hat also die Vorteile der alten Festung durchaus ausgenützt (ähnlich in Dubrovnik; das konnte man beschießen, aber hatte keine Chance, es zu erobern). 

2015/16 nach der russischen Okkupation der Krim stationiert die NATO zusätzliche Einheiten im Baltikum. Diesen letzten Teil der Geschichte dokumentiert ein Museum in Riga, bisher am RAINA BOLVARIS. Es soll umziehen auf den zentralen Rathausplatz neben dem Schwarzhäupter-Haus nicht weit von der Petri- Kirche. Die Russen sind sehr ungehalten über den Namen und das Programm dieses Museums. Sie vermissen die Zeit vor 45 und die Untaten der Nazis. Tatsächlich werden diese deutlich aufgezeigt. Ich glaube (nach meinem Studium des Gästebuches) der Hauptkritikpunkt der Russen ist der Name „Museum der sowjetischen Repression“.

Der Umgang mit der russischen Minderheit ist ein Problem. Zur Zeit der Verschleppung von Balten nach Sibirien wurde von Moskau die Ansiedelung von Sowjetbürgern im Baltikum massiv gefördert. Nach der Wende akzeptierten die Litauer ohne weiteres ihre kleine (6%) russischsprachige Minderheit. Lettland und Estland dagegen verweigerte ihrer - immerhin 30-prozentigen - russischen Volksgruppe den Pass, in der Hoffnung, dass diese bald wieder heimkehren würden. Sie nahmen nicht wahr, dass ein Teil dieser Menschen das Gefühl hatte, hier daheim zu sein. Angehörige der russischen Minderheit konnten/können einen Pass beantragen, wenn sie eine Sprach- und Wissenstest absolvieren; dies vermieden die „Russen“ aus Stolz und sie hatten auch Angst, bei diesem Test durchzufallen; sie behielten ihren Sowjetpass oder erhielten einen sogenannten Nichtbürger-Pass. Seit dem EU Beitritt hat sich das verändert: Seit man mit dem lettischen oder estnischen Pass vollberechtigter EU Bürger ist, sind auch die Russen eher motiviert, einen solchen zu erwerben.

Die neueste Geschichte ist geprägt von gewisse Animositäten mit dem großen russischen Bruder. Dieser nutzt sein wirkungsvolles Druckmittel, die „Gasversorgung des Baltikums“. Das Baltikum versucht sich einigermaßen erfolgreich zu wehren durch Gastankschiffe aus Norwegen und Strom aus Schweden.