Bevor ich Noli erreiche, kommen die Berge noch mal eng ans Meer heran.
Dieses wunderschöne Noli ist nach Genua das erste richtige Highlight. Es ist, ein 3000-Einwohner-Städtchen, einst - wie Carmoli und Albenga - eine (winzig kleine) Seerepublik. Die mittelalterliche Stadt hat Geschlechter- und Glockentürme und liegt zu Füßen der verfallenen Burg auf dem Monte Ursino. Am südlichen Ortsrand erfreut uns ein frühromanisches Kirchlein, San Panagorio, teilweise mit Verzierungen, die von den Mauren übernommen wurden. Die angekündigten Reste eines Baptisteriums konnte ich nicht erkennen.
Noli gilt als günstig und gastlich. Es gibt zwei Spezialitäten, ein Fischbrot und etwas "Süßes mit Schokoladen- Mantel" also keine Neger- sondern Noli-Küsse.
Noli ist durchaus ein Tipp der zwei Sterne verdient hat, obwohl man nach einer Viertelstunde alle fünf Straßen kennt.
Individualität, Abweichen vom Durchschitt ist die beste Methode zum Sparen.
Der Preis richtet sich nach dem Durchschnittsgeschmack. Da wo man etwas eigenes, etwas ungewöhnliches, etwas aus der Reihe fallendes schätzt, hat man eine Chance, den guten Kauf zu machen. Dort wo ein Ding für Dich mehr wert ist als dies vom Durchschnitt honoriert wird, sollst Du versuchen zuzuschlagen. Ein ganz interessanter Wanderweg führt von Noli nach Varigotti (noch besser in umgekehrter Richtung!).
Der nächste Anlaufpunkt ist Finale Ligure. "Finale" bedeutet übrigens Grenze, Grenze zwischen zwei Volksstämmen.Es ist aus drei Orten zusammengesetzt, von denen Finalborgho der wichtigste ist. Es handelt sich um eine mittelalterliche, relativ große Stadt mit kompletter Stadtmauer und schönen, leicht verfallenen Barock- und Renaissance-Palästen. Der schiefe Glockenturm soll auf der Stadtmauer stehen, was mir nicht so auffällt.Zögernd setzten sich in diesem Ort einige Künstler fest.
Jedenfalls hab ich auf dem Markt Zahnpasta und mehrere andere wichtige Utensilien eingekauft. Man hat mir die Illusion gegönnt, man würde mein Schulitalienisch gut verstehen. An jeder Ecke findet man uralte Reliefs und Plastiken.
Es folgen mehrere Städtchen sogar mit einigen größeren Hotels z.B. Pietra Ligure;
In Luano befindet sich ein Doria-Palast und eine Klosterkirche Borghetto San Spirito. Dort kann man sich nur betrinken.
Albenga ist besonders bei Italienern beliebt, was ein gutes Zeichen ist. - Es ist das "San Gimignano von Ligurien", eine Stadt mit zahlreichen Geschlechtertürmen. Der höchste, der 60 m hohe Torre del Commune repräsentiert die Familie Costa. Markant ist der überhängende Torre Griffi.
Abb. 59: Reliefs, die an die
Völkerwanderungszeit erinnern
Abb. 60: Reliefs, die an die
Völkerwanderungszeit erinnern
An der Kirche habe ich frühromanische Details fotografiert.
Das Baptisterium ist als Kuriosum: außen zehneckig, innen achteckig. In der Kirche San Michele verstecken sich romanische Fresken neben antiken Säulen.
An der Piazza schlummert ein Museo Navale, in dem ein 100 v. Chr. gesunkener, mächtiger römischer Frachter ausgestellt ist. Leider geschlossen! Sie sagen: man kann ihn ja noch 2000 Jahre lang anschauen, also muss es nicht gerade heute sein.
Trotz der interessanten Geschlechtertürme und der vielen Besonderheiten wirkt das Städtchen etwas zugeklappt und zu wenig touristisch geöffnet.
Nur einen Stern! Man muss ihm aber zugute halten, dass es immer noch so heftig regnet wie am 4.Tag der Sintflut.
Auch noch im interessanten, 7 Kilometer entfernten Alassio (12000 Einwohner, 9000 Betten) regnet es Bindfäden. Ein solcher Quotient "Einwohner/Betten" ist natürlich "hochtouristisch".
Alassio leitet seinen Namen von einer Prinzessin Adelasia, der Tochter des Kaisers Otto I.her. Auch heute noch ist Alassio bei den Deutschen beliebt, sogar als Winterkurort: Vier Kilometer feiner Sandstrand, ein burgartiger Turm, schöne, nicht zu hohe Hotels. Über der Stadt erhebt sich die Wallfahrtskirche Madonna de la Guardia. Im Zentrum nahe dem etwas pompösen Rathausplatz liegt das Muretto, ein Mauerstück, an dem sich Künstler aus aller Welt mit Kacheln verewigen. Auch die Partnerstadt von Alassio, nämlich Ravensburg, ist vertreten. Ein Punkt mindestens!
Also Albenga und Alassio, zwei Nachbarstädtchen, die in ihrem Charakter gar nicht unterschiedlicher sein könnten.
Taggia (sprich Tatscha) liegt etwas ab vom Meer. Es ist ein gänzlich mittelalterliches Schatzkästlein, aber es ist nicht nur - wie der Fremdenführer sagt – "etwas", sondern stark heruntergekommen.- Taggia soll preisgünstiger sein als San Remo. Sicher wäre es das, wenn man überhaupt eine Bleibe fände. Aber das Interesse an meernahen Immobilien ist so groß, dass auch in dem verwahrlosten Taggia Häuser aufgekauft werden und vorläufig leer stehen. Sicher ist eine Renovierung nur noch eine Frage der Zeit. In einigen Jahren wird man das Städtchen kaum mehr wiedererkennen.
Die Madonna in der Kirche San Giacomo soll gelegentlich die Augen bewegen. Ich könnte das verstehen, sie mag den Dreck nicht mehr sehen. Die einzige Reklame, die das Städtchen für sich macht, ist dieses Wunder und ein Spektakel Ende Juli: danza della morte, der mittelalterliche Totentanz.
Da ich keine Unterkunft finde, muss ich zum Meer ausweichen. Dort liegt Arma di Taggia mit wenig ansprechenden Hochhäusern. Ich lästere, nutze aber die Vorteile. Der Ort hält für mich ein Standardhotel bereit: typischer Meerblick, Tagesgericht und eine Fernsehdiskussion: Berlusconi hat (2006) die absolute Mehrheit verfehlt.
Der nächste Tag bringt mich nach San Remo. Es ist zugeschüttet mit Autos. Die Seepromenade wird auch dadurch nicht verbessert, dass die Eisenbahnlinie stillgelegt ist.
Das mittelalterliche Stadtzentrum ist die Pigna, beherrscht von der Kirche Madonna de la Costa. Es gibt in San Remo ein wenig vom italienischen Jugendstil, z.B. das Casino. Man bemüht sich, Gewerbe anzusiedeln.Eine Schwebebahn führt zum Monte Bignone.
San Remo ist seit langem bei den Russen beliebt, dem trägt die russische Kirche (natürlich San Basilio!) Rechnung. Ich bin eher enttäuscht.
Ausgelassen habe ich im Landesinneren, Bussana Vecchia, ein 18.. zerstörtes Bergdorf, in dem sich jetzt eine Künstlergemeinde etabliert hat. Leider hat das Dörfchen mit dem großen San Remo gemein, dass es an Parkplätzen mangelt.
Man nennt den Küstenabschnitt von Genua bis hierher die Riviera di Ponente und zwischen La Spezia und Genua Riviera di Levante. Gab es da nicht ein Lied?
Von Verona bis Messina
Such ich dich Oh Signorina,
von Levante bis Ponente,
suche ich dich ohne Ende.
Oder werden wir das Opfer unserer Fantasie?
Wenig halte ich mich auch in dem nächsten Ort Bordighera auf; er ist fest in englischer Hand. Eigentlich ein gutes Zeichen. Engländer haben manchen interessanten Platz entdeckt und berühmt gemacht. Spontan fallen mir ein: Sorrent, Portofino.
(Auch Davos könnte man in diesen Zusammenhang nennen. Thomas Mann und Kirchner waren wichtig, auch ein deutsche Arzt Alexander Spengler (1827-1901). - Engländer haben aber den Sport in die Region gebracht. Soweit der Exkurs nach Davos.)
Ist es Ursache oder Wirkung, dass dort ein in England recht bekannter Roman spielt.Dort soll sich ein berühmter Park im Garten des Jugendstilarchitekten Garnier befinden, wahrscheinlich ähnlich dem im französischen Eze, den ich in Kürze aufsuche.
Ein weiterer ausgelassener Punkt ist das hochgelegene Dörfchen Apricale im Landesinneren; es ist ähnlich wie Bussana ein verlassenes malerisches Dorf auf einem Felsensporn über dem Fluss. Monet hat die alte Brücke in Dolce Acqua gelobt und natürlich festgehalten. Oberhalb des Dorfes thront eine Festung.
Außerdem gibt es in der Gegend einen berühmten Rotwein.
Meernahe liegt Ventimiglia. Es sind nur noch 11 km bis zur Grenze. Bereits die Stadtfront Ventimiglias von der anderen Seite des Flusses ist eindrucksvoll. Sie hat mindestens einen Punkt verdient.
Die düsteren Gassen der Altstadt werden auch "kleines Marseille" genannt. Eine romanische Kathedrale Maria Assunta mit einem achteckigen Baptisterium fängt den Blick ein. Man kann und sollte zu der Barockkirche San Antonio Abate aufsteigen.
Kurioserweise gibt es hier im Grenzland zwischen Italien und Frankreich Grotten mit wichtigen anthropologischen Funden (Homo erectus vor 200 000 Jahren).
Was war eigentlich zwischen Genua und der Grenze (also an der Riviera di Ponente) interessant? An erster Stelle steht für mich:
Noli. Das malerische Städtchen.- -
(In Albenga gibt es gar kein Meer,
Alassio ist schon wieder sehr touristisch,
für San Remo braucht man erst einen Russischkurs,
in der Altstadt von Ventimiglia braucht man eine Taschenlampe.)
Auch wenn ich gelegentlich etwas kritisiert habe, in der richtigen ausgeglichenen Stimmung ist alles großartig.
Einer der schönen Aspekte beim Reisen ist der unproblematische Grenzübergang und der Euro, der diese lästige und kostspielige Geldwechselei beendet hat.
Zusammenfassung 14. April 2006
: Mittelmeer wunderbar. Ligurien für uns Mitteleuropäer nicht zu weit, ein Fahrt von kurzer Dauer aber voller Eindrücke, sympathische Menschen, unbedingt weiterempfehlen!