Ich habe Janusz Zaremba kennengelernt, als ich Assistenzarzt in Heidelberg war. Janusz leitete die Pathologie in einem Krankenhaus in Polen; der Träger des Hauses ist die staatliche Eisenbahngesellschaft. Er hatte ein Stipendium für eine 8-wöchige berufliche Weiterbildung. Es war das Frühjahr 1975.

Er war zuerst 4 Wochen in Kiel,
Das hatte fachliche Gründe. Ein Amerikaner Hodgkin hatte einer Krankheit den Namen gegeben, die eigentlich schon 5 Jahre früher von Sternberg in Wien entdeckt worden war. Zahlreiche ähnliche Erkrankungen des lymphatischen Systems, die kein Morbus Hodgkin  sind, nannte man später Non-Hodgkin-Lymphome. An deren Systematisierung hat man in Kiel intensiv gearbeitet und Verdienste erworben.

Dann war er 4 Wochen in Heidelberg. Mein Chef war ein universeller Pathologe und ein viel beschäftigter Mann; Wir Jüngeren haben gerne mit Janusz fachlich diskutierten und ihm auch einiges von der Stadt und ihrer Umgebung gezeigt. Von der fachlichen Seite haben wir von ihm nur gelernt.

Ich habe mich damals mit Knochengewebe beschäftigt, welches an einer ganz falschen Stelle im Körper entstehen kann. Janosch hat ziemlich schnell entdeckt, dass dieses Phänomen in der Veterinärmedizin gar nicht selten ist und er hatte Ideen für raffinierte Färbungen feingeweblicher Präparate von solchen, sogenannten Heterotopien.

Janosch war sehr bescheiden, Luxus war für ihn unnötig und unnütz. Er konnte dem Augenblick etwas Besonderes abgewinnen und hatte auch einen Sinn für das Ungewöhnliche und das Skurrile. Mit den einfachsten Gasthäusern war Janusz zufrieden, gewann ihnen einen besonderen Reiz ab, so zum Beispiel eine Kneipe in einem Heidelberg benachbarten Städtchen. Die Wirtsstube hatte in der Mitte einem gusseisernen Ofen daran ein sehr langes Ofenrohr. Die Pächter waren Spanier. Janusz kam der Don Quichote in den Sinn, der hauptsächlich in Aubergen spielt, und er erzählte uns viel über dieses großartige Werk. Janusz hatte Gelegenheit zu ausführlichen Diskussionen in spanischer Sprache. Die Wirtsleute boten eine vorzügliche Paella an. Sehr vorsichtig tangierte er auch die spanische Politik.

Gab es wirklich am Horizont Zeichen einer Veränderung? La Tranzisión? Wir mussten uns Begriffe erklären lassen, der später in aller Munde waren. – Gen. Franco starb im November dieses Jahres. Spanien wandelte sich in der Phase bis 1982 wieder zur Demokratie.

Besondere Freude macht ihn eine Fahrt auf dem Neckar und auch ein Besuch auf einer Burg am Fluss, wo man sich spezialisiert hat auf die Aufzucht von Raubvögeln und Eulen. Man konnte eine gelungene Vorführung der Vögel und ihrer Flugleistungen bieten.

Janosch lud uns nach Warschau ein. Wir fuhren mit dem Zug (Penderecki: Berlin-Warschau). Die Gastfreundschaft bei Janusz und seiner Frau war sehr herzlich, und es verstand sich von selbst, dass wir auf einen Gegenbesuch drängten. Das Ehepaar, schon älter als wir, traute sich solche Reisen nicht mehr zu; sie haben ihre Enkeltochter mit uns geschickt. Diese wurde in der Folgezeit eine europäische Beamtin und ist heute in Frankreich verheiratet und führt die humanistische und gastliche Tradition von Januszs Familie fort. Wir waren fasziniert von der Wiederaufbauleistung in Polen. Mein Interesse für die Geschichte wurde damals deutlich angestoßen. Fachlich war ich fasziniert von dem hohen Standard in meinem Fachgebiet.

Es war unser Wunsch, viele Orte der jüngeren polnischen Geschichte und insbesondere des Warschauer Aufstandes gemeinsam zu besuchen. Als Pathologe hatte Janusz eine besondere Beziehung zu Friedhöfen; er würdigte die tragischen Erinnerungsstätten,  hatte aber auch einen Sinn für merkwürdige, fast komische Episoden.

Janus hatte eine Vorliebe für Flohmärkte und dort einen persönlichen Schwerpunkt für Bücher. Mir fiel die Fülle von interessanten deutschen Ausgaben ins Auge, die bei uns gar nicht so leicht außerhalb eines Antiquariats zu erhalten sind. Unter den deutschen Besatzern gab es offenbar eine gewisse Schicht, die wertvolle Bücher nach Polen mitgenommen haben. Ihnen stand der Sinn gar nicht auf Eroberung, eher auf einen Leseurlaub. Bei der hastigen Flucht konnten sie die Bücher nicht mehr mitnehmen. Vielleicht war die Ideologie auch inzwischen so ins Unmenschliche abgeglitten, dass der Besitz gewisser Bücher nicht mehr opportun war. So gibt es auch heute noch auf den Flohmärkten exquisite Ausgaben klassischer deutscher Werke von Martin Luther über Heinrich Heine zu Stefan Zweig. Wir haben eingekauft. Auch die Kunst des modernen Polens ist bemerkenswert.

Statt uns persönlich zu besuchen, führten wir zumindest alle 1- 2 Monate ein längeres Telefongespräch. Wir sprachen über Gott und die Welt. Seltener sprach Janusz über die Kriegsjahre und die noch davor liegenden Jugendjahre. Er beschrieb sein Heimatsstädtchen als ein erfolgreiches Nebeneinander von 3 nahezu gleich großen Volksgruppen: polnisch-stämmigen und deutsch-stämmigen Menschen und solchen mit jüdischem Ursprung.

Er hatte auch noch viele andere Telefonkontakte vor allem nach Spanien und auch Südamerika. In Warschau betrieb er regelmäßig spanische Konversation.

Anfangs war es mir peinlich, dass meine Geschichtskenntnisse deutlich schlechter waren als die von Janusz. Wer in Deutschland kann schon mit dem Namen von Mickiewicz, Piłsudski, Schikorsky etwas Konkretes verbinden. Bei den Kenntnissen über Kultur und Literatur war es ähnlich. Aber meine Kenntnisse verbesserten sich; ich gewann Einblicke in die polnische Geschichte.

Neben dem Telefon waren auch die Fortschritte in der Radiotechnik bei Janusz hoch willkommen. So konnte er Sendungen aus Buenos Aires, Montevideo, Sao Paulo und Havanna regelmäßig empfangen. Mit den Zeitumstellungen war er bestens vertraut.

Die politische Entwicklung erschien ihm nach meinem Dafürhalten fast „zu schön um wahr zu sein“. Mit der Kirche war er eher kritisch, konnte sich aber doch nicht der Faszination eines Karel Wojtyla entziehen.

Ganz spät im Mai 2017 haben wir endlich einen erneuten Besuch in Warschau eingeplant. Bevor wir ankamen, ist Janusz verstorben. Wir haben seine liebe Ehefrau besucht, durften den Sohn kennenlernen und seinen wissenschaftlich kreativen Bruder und dessen Ehefrau. Die Fahrt führte uns auch nach Breslau/Wrocłav und Krakau. Auf der Rückfahrt fuhren wir durch die Stadt, wo Janusz lange Zeit ein pathologisches Institut geleitet hat.

Soweit die Eindrücke und Mutmaßungen eines „Ausländers“ und Freundes über einen bemerkenswerten polnischen Arzt. Jetzt hören wir einen viel verlässlicheren Zeitzeugen, seinen Bruder der unmittelbar nach seinem Tod 2017 einen Nachruf für die Zeitung schrieb. Es blieb sehr lange bei der Absicht, diesen ins Deutsche zu übersetzen. Die Übersetzung ist nicht einfach.

Im Anschluss an diesen Nachruf kommt sein Bruder nochmal zu Wort mit kurzen Erörterungen aus dem Jahre 2016/17 zur politischen Lage in der eigenen polnischen Heimat und in der Welt. Dies passt gut zu den Meinungen und Befürchtungen von Janusz. Interessant ist, dass diese Artikel schon 3 Jahre alt sind, aber an Aktualität nichts zu wünschen übriglassen. Höchst erstaunlich, wie treffsicher J. Zaremba die Entwicklungen in Europa und der Welt vorausgesehen hat.