Erst in diesem Jahrhundert hatte man dieses Hormon entdeckt (Kaulquappen reiften nach Verfütterung von Schilddrüsengewebe schneller zu Fröschen heran). 1927 hatten 2 findige Schotten (Harrington und Barger) zum 1. Mal eines der Schilddrüsenhormone künstlich hergestellt. Noch bevor man das Organ szintigrafisch darstellen konnte, waren Versuche gemacht worden, die Überfunktion (in einer bestimmten Kombination spricht man von Basedow‘scher Krankheit) mit radioaktivem Jod zu behandeln. Das war 1942 in dem gleichen Jahr, als bereits ein nicht radioaktives Medikament erprobt wurde. - Bereits in den fünfziger Jahren gab es Versuche (vermutlich von Wild, Douglas und Holmes) die Schilddrüse mit Ultraschall darzustellen.
Unser Chef und seine Mitarbeiter leisteten gemeinsam mit Internisten und Chirurgen in den folgenden Jahren Hervorragendes. Im Fachgebiet „Schilddrüse“ ist es am besten erkennbar am sensationellen Rückgang der Kröpfe (krankhafte Vergrößerungen der Schilddrüse am Hals aber auch hinter dem brusthein) in unserer Stadt und dem gesamten Bezirk. Mehrere kleinere „Gruppe von Erkrankten“ profitierte erheblich z.B. die Patienten mit Schilddrüsenkrebs, die ehemals sehr schlecht dran waren.
Eine feststehende Institution in der Abteilung war der Mittagskaffee: sämtliche Mitarbeiter (außer dem Chef) scharten sich um van de Rijnentoens und spazierten zum **, um einen Kaffee zu je für 30 Pfennig zu trinken. Van de Rijnentoens rauchte zwischendurch eine Zigarette, wenn sie ihm mal auf die Straße fiel, hob er sie auf und sagte: „, wenn ich nicht Arzt wäre, würde diese jetzt liegen lassen“.
Die Arbeitsweise der Abteilung versuchen wir an einem Beispiel zu verdeutlichen. Es betrifft nicht die Schilddrüsendiagnostik. Isotope spielen dabei nur als Quelle einer Strahlung, deren Schwächung beobachtet wurde, eine Rolle. Unser Chef hatte aus Amerika die Idee mitgebracht, Knochen nicht einfach mit Röntgen auf einem Bild (mit relativen Kontrasten) darzustellen, sondern die Strahlenschwächung absolut zu messen. Statt eines schönen analogen Bildes, gewann man eine Zahl. Wanderte ein stark gebündelten Strahl einer Jod 125 Quelle von rechts nach links durch einen Finger, so konnte man das Profil der Strahlenschwächung aufzeichnen. Das Ganze erfolgt in 2 Ebenen.
Mithilfe der Mathematik konnte die Arbeitsgruppe um den Chef und Stephan * etwas umwerfend Neues zeigen, nämlich die Strahlenschwächung der Weichteile, des aufgelockerten Inneren des Knochens (Spongiosa) und der kompakten Rinde differenzieren. Das Team stand kurz vor der Entdeckung der Computertomografie. Van de Rijnentoens wäre zu bescheiden gewesen, um diese Bemerkung zu bestätigen. Ich konnte ihn bei der Konstruktion der kleinen Strahlenquelle beobachten. Er war auch der 1. Proband; er hatte sich nämlich die Speiche gebrochen, sein „Gips“ erlaubte die Messung seines Mittelfingers, welche täglich erfolgte. „Unsere“ Hypothese war eine Kalksalzminderung = Osteoporose durch Inaktivität, also eine Inaktivitäts-Osteoporose innerhalb von Tagen und Wochen. Egmont arbeitete aber so viel, dass der Gipsverband zerbröselte. Was wir fanden war eine unveränderte Dichte der Komponeten des Knochens; sozusagen eine Aktivitäts-Inosteoporose. (Das ist natürlich nicht ganz ernst gemeint).
Das folgende ist diese subjektive Sicht eines der Autoren. Wie liefen die wiss. Projekte? Der Chef brachte eine gute Idee von Übersee mit. Van de Rijnentoens dachte sich den Versuchsaufbau aus, klärte die ethische Seite, gewann die Probanden, schrieb Ergebnisse zusammen. Der Chef veränderte jeden Satz, gewann einen Herausgeber und auf der Veröffentlichung prangte der Name unseres Chefs an erster Stelle genannt. Alle waren mit Recht stolz. Van de Rijnentoens war zu bescheiden, zu geduldig, zu heiter, zu sehr Team-orientiert, um hartnäckig die Frage nach seinem Gehalt zu stellen. Immer wieder fanden findige Beamte ein Regelung (einen Paragraf in den verordnungen), der eine etwas niedrigere Eingruppierung ermöglicht. Er konnte sein Talent zeitweise nicht recht „vermarkten“. Ich habe zwei- oder dreimal ähnliche Fehler gemacht wie er, mir dann nachträglich gesagt, wieso habe ich die Warnungen des van de Rijnentoens nicht beherzigt.