Engagiert wurde Fried 1920 von dem legendären Prof. Lothar Heidenhain, der wurde sein Ideengeber und Förderer.
Das Arbeitsfeld von Heidenhain wurde von Lucius in zwei Dokumenten eindrücklich geschildert:
Heidenhain war seit 1897 für sämtliche Patienten des Krankenhauses verantwortlich: Chirurgie, Innere Medizin, Gynäkologie, Geburtshilfe, Haut und Psychiatrie. Er war bei dieser gewaltigen Belastung durchaus als Operateur erfolgreich: So gelang ihm 1902 die erste erfolgreiche Operation einer angeborenen Zwerchfellhernie (siehe auch W.A.Leier).
Wieso Heidenhain sich – wahrscheinlich zur Nachtzeit – in logarithmische Berechnungen der Röntgen-Dosis (siehe Kap. 7.7) vertieft hat, bleibt für uns bewundernswert.
1912 schrieb er sich seine Qual von der Seele in Form eines zehnseitigen Briefes an seinen Dienstherren, den Oberbürgermeister. Es ist einer von vielen amtlichen Briefen in seinem Leben; aber ein besonders eindrücklicher. Tatsächlich wurde seinem Ansinnen nach einer Stelle für einen "vollkommen ausgebildeten, internen Mediziner" 1913 durch die Berufung von Prof. Josef Meinertz entsprochen. (Schon damals bestanden bereits Pläne für einen Neubau eines Krankenhauses).
Meinertz erhielt auch "mal eben" die Zuständigkeiten für Dermatologie, Psychiatrie und die Pathologie. Letztere wurde ihm von seiner Ehefrau Dr. Hanna Meinertz abgenommen; über den Zeitraum von 55 Jahren versah sie diesen Dienst ehrenamtlich.
Nach 1913 gab es somit für Heidenhain relative Entlastung. – Man hätte sich vorstellen können, dass er sich in der Folgezeit zur Bekämpfung seiner immer noch unmenschlichen Arbeitsbelastung einen Chirurgen mit besonderen Erfahrungen z.B. in der Traumatologie, Orthopädie, Urologie herangeholt hätte. Solche Fachgebiete gab es zwar noch nicht, aber zweifellos gab es Mediziner, die spezielle Vorkenntnisse hätten mitbringen können. Stattdessen hat Heidenhain 1920 Carl Fried engagiert, der – zwar chirurgisch ausgebildet – Heidenhains Faible für die Strahlentherapie teilte.
"Versuche mit Röntgenbestrahlung bei Entzündungen zu machen, wurde Heidenhain dadurch veranlasst, dass im Januar 1915 eine langwierige Eiterung der Beckengegend nach einer Röntgendurchleuchtung versiegte." (Fried, siehe auch Heidenhain 1916)
Die Zusammenarbeit der beiden war so eng und intensiv, dass es schwierig ist, ihre Leistungen aufzutrennen. Wenn ich von Fried aus seiner Wormser Zeit berichte, ist immer auch Heidenhain gemeint. Er steht für Fried, Fried für Heidenhain. (Zitate, die nicht näher benannt sind, stammen von Fried).
1924 zeigen die beiden "Wormser" 243 Fälle, deren oft detaillierte Schilderung interessante Einblicke in das Leben und Krankengut am Wormser Stadtkrankenhaus bieten. Die von ihnen systematisierte Entzündungsbestrahlung zeigte im Wormser Krankengut in 75% gute und sehr gute Erfolge:
"„…tritt der Umschwung des Krankheitsbildes nach 48 Stunden sowohl klinisch wie serologisch und in den Fällen besonderer bakteriologischer Ergebnisse auch bakteriologisch deutlich zutage."
Annähernd 150 wissenschaftliche Beiträge hat Fried hinterlassen (Bossmann). Ich habe ungefähr die Hälfte studiert.
Fried hat nach dem standesamtlichen Dokument 1923 Emilie Straus aus Erbes-Büdesheim geheiratet. Sie war 9 Jahre jünger und hat ihn um 38 Jahre überlebt. Ihr verdanken wir aus SãoPaulo einige Aufzeichnungen. Sie wird auch Emily, Gertrude und Trude genannt. Sie schenkte zwei Söhnen das Leben: Robert Gustav (verstarb vor seiner Mutter 1990 in São Paulo) und Rainer Wilhelm (verstarb 1981 in Omaha, USA ebenfalls vor seiner Mutter, war Professor für Biochemie, Vater von 6 Kindern und engagiert in Amnesty International). Die Daten müssen noch geprüft werden!
Familie Fried wohnte in Worms im Liebfrauenring 2. Wahrscheinlich gehörte die Wohnung der Stadt. (der Autor dieser Zeilen hat Jahre später als Säuging dort gewohnt und fühlt sich auch von daher den Frieds verbunden)
Bei der Betrachtung der Heiratsurkunde muss uns heute die Eintragung der zwangsmäßgen Hinzufügung des Namens "Israel" erschrecken. Hat Fried hat dies erleben müssen? Es war in der bangen Zeit, als er aus Buchenwald entlassen auf eine Möglichkeit der "Ausreise" wartete. - Die Eintragung wurde 1946 gelöscht.
Vorläufig gab es nur erfreuliche Nachrichten. Dreimal hat sich der Stadtrat mit Dr. Carl Fried befasst. Es ging um Höhergruppierung, Neufestsetzung des Dienstalters, Ernennung zum Oberarzt und - man staune - um Gewährung eines Liquidationsrechtes bei Strahlentherapie-Patienten. Auch so konnte man begabte Bedienstete behandeln fern der bald einsetztenden Diskriminierung.
Als er noch neu und fremd in Worms war, hat ihn " Schlaraffia" eine erstmals 1859 in Prag begründete Männervereinigung zur Pflege von Geselligkeit
, Kunst und Humor als Mitglied aufgenommen. Das sogenannte Wormser "Rych" hieß "Schlaraffia Wormatia". Es gab solche Scharaffen in anderen Städten Deutschlands und auch in fernen Kontineten. In diesn sollte Freid auch in schweren Zeiten eine Zuflucht behalten.
Fried wurde 1928/1929 in Worms ehrenvoll verabschiedet; er hatte der Verlockung der leitenden Position einer viel größeren Abteilung in Breslau nicht widerstanden.
Sein Chef hatte bereits gewechselt; es war nun der legendäre (spätere) Obermedizinalrat Braenig. Es spricht vieles dafür, dass dieser die Arbeit von Fried sehr respektierte und nach seinem Weggang in seinem Sinne weiterarbeiten ließ. Er hat allerdings erst 10 Jahre später einen hauptamtlichen Nachfolger für Fried in der Person von H.G. Schmitt eingestellt. Auch diesen hat Braenig – entgegen dem Zeitgeist – dahingehend beeinflusst, sich mit den Methoden Frieds zu beschäftigen und diese fortzuführen.
Wie anders als seine Verabschiedung in Worms muss sich für Fried zehn Jahre später seine Flucht aus Breslau gestaltet haben.