Eva-B. Bröcker und Wolfgang G.H. Schmitt-Buxbaum
nehmen in einem Leserbrief Anfang 2023 Stellung zu der unten angegebenen Arbeit von Zielonka aus dem Jahr 2022.die beiden Autoren machen dabei aufmerksam auf ihre eigene Publikation: „Von Dr. Abel bis Dr. Zwirn“ (Hentrich & Hentrich-Verlag), 2022" und bemängeln bei allem Respekt vor der kritisierten Arbeit die dortigen Auslassungen. Dies hätte man vermeiden können durch eine Lektüre des oben genannten Buches, welches den Autoren nachweislich vorlag. In dem nachstehenden Leserbrief werden die Gefahren im Gesamteindruck geschildert, welche entstehen, wenn nur eine nach ganz konkreten Kriterien durchgeführte Auswahl betrachtet wird. Im konkreten Fall entsteht der Eindruck, dass die betrachteten jüdischen Ärztinnen doch alle eine gute Chance hatte zumindest das Exil zu erreichen. Betrachtet man das Kollektiv etwas ausführlicher, so wird deutlich, dass auch unter diesen Menschenopfer der Shoah sind.
DMW von 2022, betreffend die Arbeit 2022; 147:1596-1604, Zielonka, Forsbach, Hofer u. Fölsch: Gegen das Vergessen. Jüdische Ärztinnen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin im Porträt
Die Arbeit von Zielonka et al. beschreibt in einfühlsamer Weise das Schicksal von sieben jüdischen Ärztinnen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin(DGIM). Deren Namen wurden zwischen 1933 und 1940 aus den Mitgliedsverzeichnissen entfernt. Obwohl in der Arbeit nicht explizit diskutiert, muss man davon ausgehen, dass in diesen Jahren auch keine Neu-Aufnahmen von jüdischen Kolleginnen und Kollegen stattfanden. Die Leistung der DGIM, sich dem unrühmlichsten Kapitel ihrer Geschichte zu stellen, muss anerkannt werden. Dem Unrecht gegenüber jüdischen Kolleginnen und Kollegen zu begegnen, indem man den Menschen „Sichtbarkeit verleiht“, ihnen „ihren Namen wiedergibt“, ist wichtig.
Für zukünftige Ergänzungen stünden den Autoren weitere publizierte Namen jüdischer Internistinnen, die im NS- Staat gelebt haben, aber nicht in der DGIM verzeichnet waren, zur Verfügung.
Die folgenden vier Berliner Internistinnen finden sich bei Rebecca Schwoch in ihrem Buch „Berliner jüdische Kassenärzte und ihr Schicksal im Nationalsozialismus“ (Hentrich & Hentrich-Verlag, 2009):
Bischofswerder Justina geb. Horowitz. Sie ist bereits 1930 aus dem Bund deutscher Ärztinnen „ausgetreten“. Sie wurde 1943 mit dem 35.Transport in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und wird als „verschollen“ geführt.
Friedmann Alice geb. Leon. Wahrscheinlich verheiratet mit Rafael-Rolf Friedmann, fand 1937 Exil in San Francisco.
Goldhaber Lulu. Bereits 1933 wurde ihr die Kassenzulassung entzogen. 1939 floh sie nach Frankreich und wurde vom Vichy-Regime im Lager Gurs in Südfrankreich interniert. Die erneute Flucht brachte sie ins Exil nach Los Angeles.
Hoefer Sofie geb. Gutkin. Am 13. 9. 1938 wurde ihr die Kassenzulassung entzogen. Im Ärzteblatt für Berlin vom September 1938 ist sie unter „Abgänge“ verzeichnet.
Weitere sieben jüdische Internistinnen sind in dem Buch von W.G.H. Schmitt-Buxbaum und E.-B. Bröcker „Von Dr. Abel bis Dr. Zwirn“ (Hentrich & Hentrich-Verlag, 2022) verzeichnet:
Bucka Else, Breslau, wurde im Jüdischen Gemeindeblatt am 15.1.38 genannt, ansonsten ist ihr Schicksal bisher unbekannt.
Friedheim Ilse, Internistin in Hamburg; sie ist 1935 in einer Liste der Hamburger Kassenärztlichen Vereinigung als Jüdisch markiert. Sie fand Exil und ist 1990 verstorben.
Gottschalk Charlotte. Das Schicksal dieser Internistin aus Königsberg (Pr.) ist bisher unbekannt.
Heim-Wiesenthal Hildegard, war in München als Internistin und Gynäkologin niedergelassen, am 24.12.38 floh sie, aus Sicherheitsgründen getrennt von ihrem Mann, über Zürich in die USA; 1942 wurde sie in den USA zugelassen; sie starb 1973 in New York.
Jedwabnick Regina, Königsberg (Pr.). Ihr Schicksal ist bisher unbekannt.
Kastner Alexandrine geb. Jacoby, erhielt 1918 das Königlich-sächsische Ehrenkreuz für die freiwillige Wohlfahrtspflege, sie war Internistin und Kardiologin in Dresden; 1934 wurde ihr die Kassenzulassung entzogen, 1938 kam ihr Mann im Polizeipräsidium Dresden zu Tode. Am 2. April 1942 erfolgte ihre Deportation in das Ghetto Warschau, von dort in das Todeslager Treblinka, wo sie im Juli 1942 ermordet wurde.
Windmüller Mathilde, war bis 1933 in Breslau als Internistin und Kinderärztin niedergelassen. Sie hat mehrere wissenschaftliche Arbeiten, auch in den Fachbereichen Neurologie und Pädiatrie publiziert. Ihr Schicksal ist bisher unbekannt.
Die in der vorliegenden Arbeit beschriebenen Schicksale der als DGIM – Mitglieder verzeichneten jüdischen Internistinnen lassen den Eindruck entstehen, dass bis auf Lotte Friedmann (Freitod) alle ihr Leben retten konnten. Insofern birgt die Beschränkung von Gedenklisten auf der Basis einer im Nationalsozialismus noch erhaltenen Mitgliedschaft in einer medizinischen Fachgesellschaft die Gefahr, dass gerade die schwersten Schicksale übersehen werden könnten. Dieser Punkt sollte in zukünftigen Publikationen berücksichtigt, zumindest diskutiert werden.